Der Ersatzproletarier des SDS

Heiligabend starb Bodo Saggel, der „letzte authentische Haschrebell“. Heute wird er am Südstern beerdigt

„Kam’n rin, hoben die Fäuste und schrien: ‚Free Bommi Now!‘ “ – Damit war der eingeknastete Bommi Baumann gemeint. „Det war der Blues!“, erklärte Peter Paul Zahl, der zuletzt in Berlin die Anarchozeitung Fizz herausgab.

Der Blues hatte Ende der 60er einen „Zentralrat“ – „der umherschweifenden Haschrebellen“ genannt –, zu dem Bodo Saggel gehörte: „Mit unserer vom Dope erhellten Intelligenz heckten wir so manche Streiche aus“, schrieb der 1998 in einer Neuauflage seines Buchs „Der Antijurist“ über seine Haschrebellenzeit.

Damals propagierten sie unter anderem das „kostenlose Leben“ in Berlin – durch Ladendiebstähle etc. – und riefen in Flugblättern alle ähnlich Gesinnten Europas dazu auf, aus der Frontstadt eine einzige „Subkultur“ zu machen: „Alle Berliner werden Berlin verlassen! Von uns abgeschreckt in die Provinzen ziehen und letztlich uns Berlin überlassen!“ Es kam dann jedoch genau andersrum: Längst haben die letzten Langhaarigen die Stadt verlassen.

Heiligabend raffte es auch den Unbeugsamen Bodo Saggel hinweg. Er wurde 65 Jahre alt. Sein Freund Günter Langer berichtet auf Partisan.Net, dass es Saggel in der Kneipe Puttchen plötzlich vom Barhocker riss.

Bodo Saggel stammte aus Essen, wo er bereits als Jugendlicher Zugang zur kriminellen Szene gefunden und insgesamt 10 Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Wieder draußen, besorgte er sich 1968 erst mal den damals noch linksliberalen Spiegel mit einem Foto von Rudi Dutschke auf dem Cover. Innen drin stand dessen Adresse: das SDS-Haus am Kurfürstendamm in Berlin.

Saggel fuhr sofort hin und wurde der „Ersatzproletarier des SDS“. Und dieser Proletarier bei den sozialistischen Studenten war nicht von Pappe: Erst mal verarbeitete er seine langjährigen Justiz- und Knasterfahrungen zu dem bereits erwähnten Buch „Der Antijurist – oder die Kriminalität der schwarzen Roben“, das er dann mit SDS-Hilfe druckte und selbst verkaufte: meist vor Hochschulen, was jedes Mal mit Agitation und „Hasch-ins“ verbunden war. Klaus Eschen vom sozialistischen Anwaltskollektiv hatte ein Vorwort dazu beigesteuert.

1969 warb Saggel für seine Antijuristenkampagne gar mit einem Teach-in im Audimax der TU – und zwar ganz allein. Das war ziemlich beeindruckend. Erst 1996, als er mich bat, wegen des 25 Jahre zuvor von Polizisten erschossenen Georg von Rauch in der taz noch einmal an die Haschrebellen zu erinnern, erfuhr ich, dass er das Teach-in eigentlich zusammen mit Bommi Baumann und Manfred Grashoff bestreiten wollte: „Aber beide erschienen dann nicht, so dass ich alleine über die ‚Hure Justiz‘ sprechen musste“. Überhaupt hätte der gesamte „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen“ in ein Auto reingepasst. Und das gehörte damals dem Vater von Günter Langer.

Dieser wiederum berichtete zusammen mit Bommi Baumann auf der „SDS-Website“ über Bobo Saggel: Er habe damals Freundschaft mit dem alten Genossen Erich Langer geschlossen, „der einen Ein-Mann-Fuhrbetrieb besaß und Hilfe brauchte. Das ungleiche Paar arbeitete jahrelang zusammen: Erich organisierte die Fuhren und Bodo schippte die Kohlen, die Schlacke oder was es sonst gab. Irgendwann hatte Bodo jedoch genug von Berlin. Er zog sich zurück aufs Land, kaufte sich ein Haus in Lüchow-Dannenberg. Jetzt ist er aber wieder in Berlin, in Kreuzberg, quicklebendig wie eh und je.“ Das war 1999. Dazwischen bereiste Saggel auch noch – mit dem Verkaufserlös seines Wendland-Hauses – alle fünf Kontinente.

Günter Langer schrieb einen ersten Nachruf. Darin heißt es, dass Bodo Saggel heute, am 3. Februar, auf dem Alten Luisenstädtischen Friedhof am Südstern 10–12 beerdigt wird, pünktlich um 9.15 Uhr. Ich füge hinzu: Im Anschluss daran findet im Puttchen in der Obentrautstraße 70 noch eine kleine Trauerfeier statt. HELMUT HÖGE