Bush stürzen oder grüne Identität erhalten

Die grünen Stimmen gingen bei der Wahl 2000 den Demokraten verloren. Ex-Spitzenkandidat Nader winkt ab

WASHINGTON taz ■ Ralph Nader, Präsidentschaftskandidat der Green Party, gewann bei der Wahl 2000 landesweit 2,7 Millionen Stimmen. Al Gore fehlten wenige hundert Stimmen zum Einzug ins Weiße Haus, lässt man mal die dubiose Florida-Auszählung und die Pro-Bush-Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof außer Acht.

Die Grünen verhinderten Gore, lautete seither die nie verstummte Anklage der Demokraten. Unsinn, schossen diese zurück. Gore habe einen miserablen Wahlkampf geführt und es nicht vermocht, aus eigener Kraft ausreichend Wähler zu gewinnen. So mancher Grüner hat jedoch sein Kreuz auf dem Wahlzettel bitter bereut.

Sitzt nun dieses Jahr die Abneigung gegenüber Präsident Bush so tief, dass sie zum Schulterschluss zwischen Demokraten und Grünen reicht, oder will die drittstärkste Partei der USA auch dieses Jahr mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen ziehen? Diese Frage bleibt bislang offen. Fest steht: Die Green Party wird im Juni ihren Nominierungsparteitag in Milwaukee, im Bundesstaat Wisconsin, abhalten und ihren eigenen Kandidaten wählen. Fest steht ferner, dass Nader nicht für die Grünen in den Ring steigen wird. Diese Entscheidung hatte der prominente Umweltschützer und Verbraucheranwalt Ende letzten Jahres zum Erstaunen der Partei getroffen. Gründe nannte er keine. Eine unabhängige Kandidatur schließt er aber nicht aus.

Naders Entschluss ist ein Tiefschlag für die Partei. Die anderen potenziellen Kandidaten sind weitgehend gesichtslos. Lediglich Peter Camejo, Umweltaktivist, Ökounternehmer und Gegner von Arnold Schwarzenegger in Kalifornien, ist vielleicht an der Westküste bekannt.

Ob die Grünen einen eigenen Kandidaten aufstellen, hängt laut ihrem Sprecher Scott McLarty maßgeblich davon ab, wen die Demokraten als Bush-Herausforderer wählen. Viele Grüne symphatisieren wegen Irak mit Howard Dean. Dessen umweltpolitische Vorstellungen sind jedoch weitgehend unbekannt. Sollte ihm die Nominierung gelingen, könnte die Green Party ihn unterstützen, sagt McLarty, will sich aber nicht festlegen.

John Kerry hingegen ist für viele Friedensaktivisten keine Alternative zu Bush, da er grundsätzlich bereit ist, Amerika in den Krieg zu führen. Er verkörpert überdies nur das geringere Übel eines politischen Systems, das die Grünen für verkrustet und korrupt halten. Sie wollen sich als von Wirtschaftsinteressen und Unternehmensspenden unabhängige dritte Kraft etablieren. Sollten die Demokraten Kerry zu ihrem Spitzenmann wählen, wird die Green Party wahrscheinlich einen eigenen Herausforderer aufstellen. So könnten am Ende zwei Gegenkandidaten den Demokraten das Leben schwer machen – Bush wäre der lachende Vierte. Um dies zu vermeiden, rufen bereits zahlreiche Online-Gruppen Nader auf, nicht anzutreten. „Don’t run!“, hallt es durchs Internet. Und Kolumnist Ronnie Dugger mahnt die Grünen im liberalen Magazin The Nation eindringlich, alle Energie auf den Sturz Bushs zu verwenden. „Wir können uns keine zweite Spaltung leisten.“ MICHAEL STRECK