Er kam von einem Stern

Nicht Mann, nicht Frau, nicht Oper, nicht Rock: „The Nomi Song“ im Panorama erzählt die Lebensgeschichte eines vergessenen Superstars. Gäbe es einen Bären für filmreifes Leben, Klaus Nomi hätte ihn posthum verdient

Vielleicht ist es ja wirklich so, dass sich Lebensläufe im Musikgeschäft genau so entwickeln, dass sie Jahre später alle Kriterien erfüllen, die Jahre an ein Dokumentarfilm-Skript gestellt werden. Vielleicht ist das Format des Musiker-Dokumentarfilms mit seinen immergleichen Ups & Downs aber auch einfach nur den Gepflogenheiten im schaustellenden Gewerbe angepasst. Sollte jedoch eines Tages einmal ein Goldener Bär für dokumentarfilmreifes Leben vergeben werden, Klaus Nomi wäre ein sicherer Anwärter. Auch und vielleicht gerade weil „The Nomi Song“, der Film über das Leben des 1983 verstorbenen Sängers, eben keine „Behind The Music“-Sendung ist, sondern ein vollgültiger, mit ZDF-Geldern finanzierter Dokumentarfilm. Trotzdem funktioniert er genauso wie die Folgen der MTV-Serie.

Da gibt es einen Teenager in Essen, der hin- und hergerissen ist zwischen Maria Callas und Elvis Presley und hinauswill in die Welt, um seinen Traum zu leben: Sänger werden. Als jungen Mann führt es ihn nach Berlin, wo er es nur zum Platzanweiser in der Deutschen Oper bringt. Also geht er nach New York, um dort in der gerade entstehenden New-Wave-Szene zu reüssieren. Was im Nachhinein kaum verwundert: Zwischen all den Bands, die sich auf wenig mehr als ihren Zynismus verlassen, ist Nomis Act tatsächlich eine schockierende Sensation. Gesegnet mit heiligem Ernst, geschminkt und gekleidet wie ein Außerirdischer, singt er mit seiner Kontratenorstimme, als sei er von einem anderen Planeten auf die East Village Bühne hinabgeschwebt.

Das ist nicht Mann, nicht Frau, es ist nicht Oper, nicht Rock: wirklich Alien. Der New Wave Underground mit seiner Faszination für trashige Science-Fiction und seinem sicheren Gefühl, schon morgen könnte der Atomkrieg losgehen und dann wäre eh alles vorbei, umarmt Nomi und jener nimmt, was er kriegen kann. Er erlebt einen kometenhaften Aufstieg, der ihn in kurzer Zeit vom Novelty Act zum Superstar macht. An der Seite von David Bowie tritt er bei „Saturday Night Live“ und wenig später dann schon allein bei „Wetten, dass …“ auf.

Aber wie es das Leben und/oder das Format des Films wollen: Der Erfolg zerstört die freundschaftlichen Bindungen, die am Anfang stehen. Partner fühlen sich über den Tisch gezogen, der Nomi, den man eben noch als lächelnden Eigenbrötler in einer kleinen Wohnung gesehen hat, ist auf einmal ein abgeschirmter Star.

Es ist die traurige Ironie von „The Nomi Song“ – und man weiß kaum zu entscheiden, ob es die seiner realen Lebensgeschichte ist oder ob sie sich nur aus der narrativen Struktur des Films ergibt –, dass Nomi auf dem Höhepunkt seines Ruhms stirbt. Einsam und alleine. Er ist einer der ersten Aidstoten, und die meisten seiner Freunde haben Angst, ihn im Hospital zu besuchen, zu wenig wissen sie über die möglichen Übertragungswege der Krankheit.

Die Musik allerdings ist schaurig. Auch das sollte man nicht vergessen.

CineStar 7, heute 20 Uhr; CineStar 2, morgen 17.30 Uhr