„Schwarze sind nie Helden – nur Cops und Sklaven“

Der Geheimtipp der Berlinale: Film aus Südafrika. Filmemacher Kalipha Eddie Mbalo kann mit der Macht von Hollywood nicht mithalten. Trotzdem gibt er seinem Land seit zehn Jahren ein neues, ein wahres Gesicht. In Berlin zeigt er es. Ein Gespräch über Neuanfänge, wo sie eigentlich unmöglich sind

INTERVIEW SUSANNE LANG

Kalipha Eddie Mbalo: Hi! Sagen Sie einfach Eddie zu mir.

taz: Eddie? Wegen Eddie Murphy?

Nein, nein. Unter dem Apartheidregime bekam man zusätzlich zum Familien- und Vornamen einen christlichen Namen. Deshalb Eduard, zusätzlich zu Khalipha. Ich habe es dann verkürzt zu Eddie – das klingt sexier.

Okay, Eddie, Sie waren es, der 1984 die erste schwarze Produktionsfirma in Südafrika gegründet hat. Ihr erster Film?

Wir haben damals vor allem Südafrikas Kampf gegen die Apartheid dokumentiert. Leider bekam man das Material in Südafrika nicht zu sehen, wir hatten keinen Zugang zu Sendern. Erst 1992 wurde mein erster Film im südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt. Es ging um Aids. Noch bevor es zu einem großen Thema wurde. Wir wollten die Bevölkerung sensibilisieren.

Klingt nach Klischee: Filme aus Südafrika beschäftigen sich mit Aids.

Aids ist ein großes Problem, aber Südafrika ist mehr als Aids. Ich war immer interessiert an Dokumentationen: über Frauen, die gegen Diskriminierung kämpfen, aber auch Musikdokus oder Komödien. Zum Beispiel über Exilanten, die aus Europa zurückkehren und versuchen, sich wieder in Südafrika einzuleben.

Was macht diese Art von Film spannend?

Gute Filme erzählen entweder Geschichten von Menschen oder zeigen ihren Lebensalltag, ihren Überlebenskampf.

„Filme befreien den Kopf“, hat der Filmemacher Rainer Werner Fassbinder gesagt …

Genau das trifft es.

Inwiefern?

Man hat zum Beispiel ein bestimmtes Bild von Afrika, sieht dann aber einen afrikanischen Film und sagt: Ach, so ist das. Das Interessante ist: Sogar weiße Südafrikaner kennen Südafrika nicht, sondern nur ihre eigene Community. Die Mehrheit war nie in einem Township. Und hat noch immer nicht akzeptiert, dass sich die Zeiten geändert haben. Wir haben aber mittlerweile eine schwarze Regierung.

Filme sollen nicht die Vergangenheit verarbeiten, sondern zeigen, wie die Situation jetzt ist?

Ja. Zeigen, dass und was sich verändert hat.

Eine Ihrer Visionen, so heißt es auf Ihrer Website, ist: die Nation Südafrika zu repräsentieren. Gibt es die überhaupt?

Wir wollen alle Südafrikaner in ihrer Vielfalt repräsentieren. Viele Filmemacher neigen dazu, Filme aus Hollywoodperspektive zu drehen. Aber Hollywood produziert Filme, um amerikanische Lebensumstände und Verhältnisse zu reflektieren. Wenn wir das versuchen, verlieren wir Zuschauer, weil es eine fremde Perspektive ist.

Die große Filmerzählung Amerikas über ihre Nation ist der Western. Gibt es ein südafrikanisches Pendant?

Nein. Wir sind ein junges Land, das erst seit zehn Jahren existiert. Daher messen wir uns eher an kleineren mexikanischen oder brasilianischen Produktionen. Oder an Filmen wie „City of God“: einfache Filme, aber mit sehr tiefgründigen Botschaften. Sie handeln von dem, was in Südafrika bedeutsam ist. Ich glaube, in Deutschland will man hingegen lieber Exotisches sehen.

Auf der Berlinale läuft ein europäischer Film über Südafrika, „Country of ma Skull“: Was erwarten Sie von ihm?

Ich bin gespannt. Generell finde ich, wenn ich das Recht habe, nach Deutschland zu gehen und über Deutsche einen Film zu machen, dann können auch Deutsche einen Film über Südafrika drehen. Aber darf man nicht vergessen, dass in Europa und Amerika der Druck größer ist, Gewinn zu machen. Deshalb produzieren viele nur das, wovon sie sich hohe Einspielergebnisse erhoffen. Wir erheben aber auch kein Monopol auf unsere eigenen Geschichten, im Gegenteil. Wir wollen im globalen Dorf agieren und gleichwertig am Wettbewerb teilnehmen.

Klingt, als wollten Sie als Filmnation Holly- und Bollywood Konkurrenz machen.

Es ist doch so: Ohne Geld und ohne industrielle Strukturen können auch wir keine Filme machen. Viele Südafrikaner erwarten immer noch, dass sie Filme sehen können, ohne Eintritt zu zahlen. Das geht aber nicht. Was unser Institut aber versucht, ist die Balance zu halten zwischen den wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten von Film. Im ökonomischen Agieren passen wir uns tatsächlich an Hollywood an, machen deshalb aber noch keine Konkurrenz.

Welchen amerikanischen Film haben Sie zuletzt gesehen?

Hmm, da muss ich überlegen.

Schon so lange her?

Mein Problem ist ja, dass ich nie Zeit finde, Filme anzusehen. Paradox, nicht wahr? Ah doch – das war „Monsters Ball“, mit Halle Barry. Allerdings auf DVD.

Mochten Sie ihn?

Nun ja – mein Interesse galt mehr Halle Barry und der Frage, warum sie als schwarze Schauspielerin einen Oscar für diesen Film bekommen hat. Allerdings kam ich zu dem Schluss: Deshalb, weil sie ihre Kleider ausgezogen hat und mit einem Weißen eine Affäre hatte, der versuchte, ihr zu helfen. Ich sehe immer wieder eine Menge Klischees.

Welche?

Ach, es sind so viele. Um nur die offensichtlichen zu nennen: Schwarze sind immer Opfer, nie Helden. Sie sind immer Polizisten oder spielen Sklavenrollen.

Ist das nicht ein Klischee über die Klischees?

Wenn man nie Rassismus erlebt hat, wird es schwierig, diesen Horizont nachzuvollziehen. Wir Schwarze sind immer noch sehr sensibel.

War es ein Aspekt von Rassimus, dass unter dem Apartheidregime eine schwarze Kino- und Filmkultur verhindert wurde?

Ja, natürlich. Wir wuchsen zwar damit auf, ins Kino zu gehen. Problematisch war jedoch der Zugang zu den Kinos. Tatsächlich hatte ihn nur eine Minderheit, zum Teil sogar bis heute. Kinos existieren vor allem in weißen Gebieten, die Infrastruktur folgt alten Apartheidstrukturen. Daher ist es unserem Institut wichtig, diesen Zugang zu schaffen. Zum Beispiel alte Kinos zu renovieren. Aber das kostet seinen Preis. Kino ist Luxus.

Erinnern Sie sich noch an den ersten Film, den Sie gesehen haben?

Nicht genau. Aber ich weiß, dass wir viele chinesische Filme gesehen haben, Bruce Lee. Und viele Terence-Hill- & Bud-Spencer-Filme, also mehr Action.

Mochten Sie die – oder liefen keine anderen in den Kinos?

Einerseits gab es kaum schwarze Filme. Aber andererseits waren diese Filme für die meisten sehr aufregend. Man konnte das Apartheidsystem kurzzeitig vergessen. Rassismus oder Diskriminierung fanden, wenn überhaupt, nur auf der Leinwand statt.

Nach Ihren ersten Eindrücken: Wie würde ein Film von Kalipha Eddie Mbalo über Deutschland aussehen?

Ich glaube, die Leute hier sind sehr freundlich. Nicht, dass ich das anders erwartet hätte. Sie sind immer hilfsbereit. Vor einigen Tagen stand ich in der U-Bahn und versuchte, den Fahrplan zu verstehen. Schon kam eine junge Frau und fragte, ob sie mir helfen könne.

Glück gehabt, vielleicht.

Wie auch immer, auf jeden Fall ist es ein Eindruck, der bleibt.