Die Hand in deinen Händen

Gut, dass es noch Dogma-Filme gibt: Annette K. Olesons introvertierter Gefängnisfilm „Forbrydelser“ (Wettbewerb) verzichtet auf große Gesten und überzeugt im Kleinen

„Forbrydelser“ heißt der Wettbewerbsbeitrag der dänischen Regisseurin Annette K. Oleson, deren Film „Minor Mishaps“ (2002) noch in bester Erinnerung ist. Es ist sehr schön, mal wieder einen Dogma-Film zu sehen, Schauspielern zuzuschauen, die so alltäglich aussehen, alle großen Gesten vermeiden und im Kleinen – wenn mal der Mundwinkel zuckt oder eine Hand sich zögernd über die andere legt – überzeugen, Anteil zu nehmen an einer einfachen Geschichte, die auch und gerade da wahrhaftig wirkt, wo die Sehnsüchte und Erwartungen der Zuschauer enttäuscht werden.

Die Theologin Anna (Ann Eleonora Jorgensen) ist Ende dreißig und verheiratet mit Frank (Lars Ranthe). Jahrelang haben beide vergeblich versucht, ein Kind zu machen. Sie tritt eine Stelle als Gefängnisseelsorgerin an und begegnet Kate, einer Gefangenen, die möglicherweise übersinnliche Fähigkeiten hat. Jedenfalls heilt sie heroinsüchtige Gefangene und gerät damit in Konflikte mit Jossi (Sarah Boberg), die ihre Mitgefangenen mit Drogen versorgt.

Als Anna und Kate einander zum ersten Mal begegnen, sagt die Gefangene der Priesterin voraus, dass diese ein Kind bekommen wird. Dies trifft auch zu. Die pränatale Untersuchung ergibt jedoch, dass das Kind möglicherweise behindert sein wird. Außerdem erfährt Anna, dass Kate im Gefängnis sitzt, weil sie als Drogensüchtige ihr Baby hat verdursten lassen.

Beeindruckend an diesem Film ist das Alltägliche, der Verzicht aufs gängige Overacting, eine berührende, dezent humorvolle, allen Zierat vermeidende Erzählweise. Die Regisseurin, die in dänischen Gefängnissen recherchiert hat, verzichtet auf die üblichen Gefängnisfilmklischees – fiese Wärter, gewalttätige Gefangene etc. Sie respektiert die Realität des echten Gefängnislebens. Sehr schön ist es auch, dass die Charaktere alle ein bisschen introvertiert wirken und dass die Plötzlichkeit des Endes nach 101 Minuten, die einem viel kürzer vorkamen, den Film im eigenen Kopf weiterlaufen lässt. Nicht zuletzt erinnert „In Your Hands“ daran, dass Dogma-Filme weiterhin notwendig sind.

DETLEF KUHLBRODT

Heute 15 Uhr, Royal Palast; 20 Uhr, International; 23.30 Uhr, Royal Palast