Experiment mit Genen und ohne Policen

Das Gentechnik-Gesetz bringt die Bauern in die Klemme: Wegen der unzureichenden Regelungen verweigern Versicherungen einen finanziellen Schutz gegen Gen-Verunreinigungen. Bauernverband: Finanzielles Risiko ist nicht abzuschätzen

VON WOLFGANG LÖHR

Für Verbraucherministerin Renate Künast ist es ein Grund zum Feiern. Gestern billigte das Bundeskabinett nach langem Gezerre zwischen den Ministerien die von ihr vorgelegte Novelle des Gentechnikgesetzes. Doch Umweltverbände, der Deutsche Bauernverband und Gentech-Anbauer haben keine Freude an dem Gesetz.

Denn nach der Regelung werden die Landwirte für die wirtschaftlichen Einbußen ihrer Nachbarn aufkommen müssen, wenn deren Ernte durch Pollenflug gentechnisch verunreinigt ist und sie diese nicht mehr als gentechnikfrei oder als Ökoware vermarkten können. Die Gentech-Anbauer werden den Schaden dann aus eigener Tasche zahlen müssen. Denn die Versicherungsunternehmen haben bereits angekündigt, dass sie wohl keine Versicherungspolicen für derartige Fälle anbieten werden.

Nicht nur, dass das finanzielle Risiko unkalkulierbar ist. Es fehlen auch noch die wesentlichen Vorschriften, welche Maßnahmen ein Gentech-Anbauer ergreifen muss, um den unerwünschten Pollenflug zu reduzieren. Welche Sicherheitsabstände sind zum Beispiel zum Nachbarfeld einzuhalten? Ist eine „Mantelsaat“ zum Abfangen der Gentech-Pollen notwendig? Diese so genannte „gute fachliche Praxis“ soll später vom Verbraucherministerium in einer Verordnung festgelegt werden. Einen Zeitpunkt dafür gibt es noch nicht.

Ohne diese Vorgaben, so Natascha Sasserath vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), „wissen wir ja gar nicht, was auf uns zukommt“. Das wäre wie eine Haftpflichtversicherung für Autos, ohne dass es schon Verkehrsregeln gäbe. „Dazu kommt dann noch“, so Sasserath, „dass wir auch nicht wissen, wie viele Felder und auf welcher Fläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden sollen.“

Schon auf der vom Verbraucherministerium organisierten Expertenanhörung Anfang Februar hatte die Versicherungswirtschaft ihre Kritikpunkte an dem Gesetzesentwurf vorgetragen. So sieht man keine Möglichkeit, eine Versicherung anzubieten, die auch dann für den Schaden auf dem Nachbarfeld aufkommen muss, wenn der Gentech anbauende Landwirt die gute fachliche Praxis eingehalten hat. Die Versicherungen gehen davon aus, dass es auch in diesem Fall zu unerwünschten Verunreinigungen kommen wird.

Mit den Haftungsregelungen ist auch der Deutsche Bauernverband (DBV) nicht einverstanden. Er sieht ein nicht abschätzbares finanzielles Risiko auf die Gentech-Bauern zukommen. So soll ein Gentech-Landwirt schon dann haftbar sein, wenn sein Feld in der Nähe ist und nur vermutet wird, dass er der Verursacher der Kontamination ist. Ein geschädigter Nachbar kann ihn haftbar machen.

Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, sagte gegenüber der taz: „Sollte dieses Gesetz verabschiedet werden, können wir den Bauern nur raten: Hände weg von der Gentechnik.“