Arnold, der Barbar

Die steiermärkische Hauptstadt Graz empört, dass ihr berühmtester Sohn Arnold Schwarzenegger jetzt im richtigen Leben Menschen in den Tod befördert. Wird ihm sein „Ehrenring“ aberkannt?

VON RALF LEONHARD

Galgen und Fallbeil sind in Österreich schon lange aus dem Strafvollzug verschwunden: seit der Kundmachung der republikanischen Verfassung von 1920, die nur 1934–1938 im austrofaschistischen Ständestaat und dann bis 1945 durch den Anschluss an Hitler-Deutschland außer Kraft gesetzt war.

Dennoch befasste sich gestern der Stadtrat der steiermärkischen Hauptstadt Graz mit der Todesstrafe. Anlass war die allgemeine Empörung über den Mann, der als „steirische Eiche“ bekannt war, bevor er in den USA Karriere machte: Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Er hatte im Januar das Gnadengesuch des als vierfacher Mörder verurteilten Kevin Cooper abgelehnt. Die Hinrichtung des Afroamerikaners war am Dienstag in letzter Sekunde ausgesetzt worden. Die Beweislage soll jetzt neu geprüft worden. Schwarzenegger hatte die Beweislast für „überwältigend“ gehalten. Selbst Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic (ÖVP), die den Wahlsieg des großen Sohns noch als Sternstunde der Steiermark gefeiert hatte, zeigte sich enttäuscht.

Damals, im Oktober, hatte es in Sacramento noch Grußbotschaften gehagelt. Vom Bundespräsidenten bis zum letzten steirischen Bürgermeister wollten alle ein bisschen von dem Glanz aus dem sonnigen Kalifornien abbekommen. „Aus dem Terminator wird ein Governator“, titelten die Boulevardblätter. Dass der Actionheld, der auf der Leinwand hunderte „terminiert“ hat, bald im wirklichen Leben den Einsatzbefehl für die terminale Giftspritze geben würde, war ein Gedanke, der in der allgemeinen Euphorie nicht formuliert werden durfte. Erst nach dem Abschmettern des ersten Gnadengesuchs merkte die österreichische Politik, dass der ehemalige Mister Universum dem alttestamentarischen Rechtsdenken seiner Wahlheimat wesentlich enger verhaftet ist als dem mitteleuropäischen Humanismus. Der bejubelte „Kaiser von Kalifornien“ mutierte wieder zu Conan, dem Barbaren.

Als Erster richtete SPÖ-Präsidentschaftskandidat Heinz Fischer – übrigens auch ein gebürtiger Grazer – in seiner Eigenschaft als Zweiter Präsident des Nationalrats einen Appell an den Gouverneur von Kalifornien. Da konnte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die für die ÖVP kandidiert, nicht zurückstehen, wie sie ihrem Wahlkampf-Weblog anvertraute: „Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin von Arnold Schwarzenegger persönlich enttäuscht.“

Die Empörung über die geringe Sensibilität des Export-Steirers mag bei vielen Grazern echt sein. Für die Politik ist Kalifornien ein schöner Nebenschauplatz, auf dem man sich profilieren kann. Selbstverständlich fühlen sich aber jetzt jene bestätigt, die von Anfang an ihre Stimme dem Jubelchor verweigert hatten: Grüne, Kommunisten und, in geringerem Maße, die Sozialdemokraten.

Letzten Montag zog auf Initiative der Grünen eine Demonstration gegen die Todesstrafe durch Graz. Gleichzeitig richteten Vertreter der Grazer SPÖ und KPÖ einen Brief an den kalifornischen Gouverneur, in dem sie ihn auffordern, seine Entscheidung doch noch einmal zu überdenken. Schließlich sei Schwarzenegger Träger des Ehrenringes der Stadt Graz. Seit letztem Jahr schmückt sich die Stadt mit dem Prädikat „Stadt der Menschenrechte“. Grüne und KPÖ brachten gestern im Stadtrat den dringenden Antrag ein, handfeste Repressalien zu verhängen: den Ehrenring abzuerkennen, das Schwarzenegger-Fußballstadion wieder in Stadion Graz-Liebenau rückzubenennen.

Bürgermeister Siegfried Nagl von der ÖVP kann der Initiative nichts abgewinnen: „Wir helfen überhaupt niemandem damit, wenn man gleich einen Stab über einem Menschen bricht. Wir werden das nicht unterstützen.“ Diese Meinung wird von der FPÖ geteilt. Um eine salomonische Lösung bemüht, formulierten daraufhin die Sozialdemokraten einen ebenfalls als Dringlichkeitsantrag formulierten Kompromiss: Der Gouverneur von Kalifornien solle bis September unter Beobachtung gestellt werden. Sollte er bis dahin nicht alle 640 Kandidaten in der kalifornischen Death Row begnadigen, treten die Sanktionen in Kraft. Da die SPÖ gemeinsam mit KPÖ und Grünen die Mehrheit im Stadtparlament stellt, hat dieser Vorschlag gute Aussichten.

Die von der SPÖ lancierte Petition soll demnächst von einer steirischen Wirtschaftsdelegation in Sacramento überreicht werden. Für die ÖVP, die diese Delegation anführen wird, ist die Sache höchst peinlich. Wie bei Geschäftsanbahnungen in China oder im Iran will man sich saftige Aufträge nicht durch Kritik an der Menschenrechtspraxis verscherzen.