uraufführung von hochhuths „mckinsey kommt“
: Für einen Skandal reicht das nicht

Am Freitagabend wurde in Brandenburg Rolf Hochhuths Politdrama „McKinsey kommt“ uraufgeführt.

Ist Rolf Hochhuths neues Stück ein Flop? Das Politdrama „McKinsey kommt“ hatte wegen eines vermeintlichen Aufrufs zum Mord an Josef Ackermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, jede Menge Schlagzeilen gemacht. Auch die Nachrichtenlage schien Hochhuths Aufruf zum Handeln recht zu geben: Ackermann muss sich wegen des Verdachts zur Untreue vor Gericht verantworten, Gerster musste wegen dubioser Beraterverträge gehen, und der Prozess wegen Millionenabfindungen für Mannesmanager läuft.

Doch Hochhuth gelingt es nicht, das Publikum mitzureißen. Zu statisch hangelt sich sein Fünfakter durch Momentaufnahmen der Gegenwart. Von Dialogen oder Dramaturgie ist kaum zu sprechen. Die Fülle von Zahlen aus Presse- und Bilanzberichten erschlägt, und die Figuren und ihre Logik überzeugen letztendlich nicht. So will trotz großem Aufgebot an Fernsehkameras und Fotografen bei der Uraufführung am Freitagabend im Brandenburger Theater kein Gefühl eines Vorabends der Revolution aufkommen. Der Applaus ist eher solidarisch als begeistert, die Stimmung bei der Premierenfeier verhalten. „Ein bisschen wie ein Besuch beim Therapeuten. Gebracht hat es im Grunde nichts, aber es war gut, dass wir drüber geredet haben“, urteilt eine Zuschauerin.

Hochhuth hat sich wieder in Agitprop geübt. Mit dem Enthüllungsdrama „Der Stellvertreter“ deckte der Autor erstmals 1963 das Schweigen der katholischen Kirche zum Massenmord der Nazis auf und löste einen Skandal aus. 1980 prangerte Hochhuth mit „Juristen“ Aufsehen erregend den Radikalenerlass an.

Schon allein deswegen sollte man das Politdrama nicht nur auf der ästhetischen Ebene kritisieren. Schauen wir uns lieber die Aussage an: Ohnmächtige Rausgeworfene wechseln sich auf der Bühne mit den Mächtigen ab. Gemein ist beiden, dass sie keine Verantwortung übernehmen. Die Arbeitslosen scheuen sich vor dem Aufstand, Politiker vor dem Eingreifen, und die Bosse vertrauen ihre Macht lieber McKinsey an, damit die Unternehmensberater noch mehr Arbeitslose schaffen und somit dem Unternehmen Kurssteigerung der Aktien bringen.

Angesichts 4,6 Millionen Arbeitslosen in der Republik sollte ein Stück, das die Zusammenhänge von Macht, Industrie und Massenkündigungen auf die Bühne bringt, eigentlich Sprengstoff sein. Da hätte Hochhuth weder Ackermann noch das kindische Verbrennen der europäischen Fahne im letzten Akt gebraucht. Doch die Zeiten sind vorbei, da die Machtgeilheit der Bosse provozierte. Viel lieber regen wir uns über das Niveau des Privatfernsehens auf, über DanKWiel Küblböck im Madenpool oder Uschi Glas’ Nacktfotos.

So ist der Skandal von Rolf Hochhuths neuem Drama, dass es keinen Skandal gibt. Dass Hochhuths Schrei zwar gehört, aber nicht wirklich verstanden wird. Doch es gibt Hoffnung. Elf Aufführungen mit 280 Zuschauern pro Abend sind bereits komplett ausverkauft, und McKinsey hat für seine Mitarbeiter sogar zwei Extraaufführungen gebucht. Vielleicht hat das Stück ja doch eine Wirkung.

„Geben Sie Gedankenfreiheit“ sei vor zweihundert Jahren eine todesmutige Forderung gewesen, sagt die Gründerin der Partei für Arbeitslose in Oliver Munks Inszenierung im ersten Akt. Heute müsse die radikale Forderung „Freiheit vor der Wirtschaft“ sein. Das zu verstehen würde allerdings voraussetzen, dass wir inzwischen das freie Denken gelernt hätten. JUDITH LUIG