Große Chance oder grober Unfug?

Innenminister Schily erlaubt seit Sonntag die Fahndung per SMS. Der Grüne Volker Beck hält das für eine gute Idee. SPD-Politiker Tauss meint: Das fördert Blockwartmentalität

BERLIN taz ■ Die am Sonntag von Innenminister Otto Schily (SPD) eingeführte Fahndung per SMS ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Für das Projekt können sich seit Montag Interessierte auf einer Internetseite registrieren. Angesprochen sind vor allem Menschen, die viel auf der Straße unterwegs sind – Taxi- und Busfahrer, Postboten oder Tankstellen-Angestellte. Sie müssen mindestens 16 Jahre alt sein. Einmal angemeldet, erhält man eine SMS, sobald eine neue Fahndung startet. Dabei kann es sich um Straftäter handeln, aber auch um Vermisste.

Gerade dieser Aspekt gefällt dem grünen Innenexperten Volker Beck. „In Vermisstenfällen kann das ein sehr hilfreiches Instrument sein“, sagte er der taz. „Gerade wenn es sich an Leute richtet, die viel im öffentlichen Raum unterwegs sind.“ Wird jetzt Hilfssheriff, wer gern Räuber und Gendarm spielt? Beck kann die Kritik nicht nachvollziehen: „Ich sehe kein Problem. Die Technik muss sich aber an der Effizienz orientieren.“

Innerhalb der SPD-Fraktion ist das Projekt des eigenen Ministers auf Widerstand gestoßen. Der Sprecher für den Bereich „Neue Medien“, Jörg Tauss, fordert Schily auf, diesen „Unfug aus Polizeikreisen“ sofort zu stoppen. „Mit der SMS-Fahndung wird in Deutschland allenfalls eine neue Blockwartmentalität erzeugt“, kritisiert Tauss.

Positiv beurteilt hingegen Konrad Freiberg die neue Fahndungsmethode. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei sieht in der neuen Technik „in Einzelfällen eine sinnvolle Ergänzung“. Er warnt aber vor einer zu hohen Erwartungshaltung. „Es besteht die Gefahr, die Menschen zu überfrachten. Deshalb muss man in jedem Einzelfall entscheiden, ob es sich lohnt.“ Ein Problem sieht Freiberg auch in der Mehrarbeit: Jeder neue Fahndungsaufruf bringt eine Menge Hinweise. „Das bindet ungeheuer viel Personal.“ Im Prinzip sei diese Fahndungsmethode auch nichts Neues. Die so genannte Öffentlichkeitsfahndung ist in der Strafprozessordnung geregelt, schon jetzt werden immer wieder beispielsweise Taxizentralen informiert, wenn es sinnvoll erscheint.

Der Sprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Büttgen, findet die neue Fahndungsmethode im Grundsatz unproblematisch. Weil die Strafprozessordnung den Rechtsrahmen für eine solche Fahndung biete, gehe der Datenschutzbeauftragte davon aus, dass die dortigen Bestimmungen auch eingehalten werden. Büttgen will aber sichergehen: „Es wäre angebracht, das Verfahren in der Praxis nach einer gewissen Zeit noch einmal zu überprüfen.“ FLORIAN OEL