Hilfe aus Deutschland für Atomwaffenbau

„Dringender Tatverdacht“ gegen Marburger Wissenschaftler. Er soll Nukleartechnik an Pakistan geliefert haben

BERLIN taz ■ Das pakistanische Atomwaffenprogramm hat anscheinend Unterstützung aus Deutschland erhalten. Die Marburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Wissenschaftler, der mehrfach versucht haben soll, Technik für die Entwicklung von Atomwaffen nach Pakistan zu exportieren. Oberstaatsanwalt Hans-Joachim Wölk hat die Ermittlungen bestätigt und sagte, es handele sich um einen „anerkannten Wissenschaftler“. Weitere Angaben zu dem Forscher wollte er nicht machen.

Es geht um zwei konkrete Vorwürfe. Im August 2002 soll der Wissenschaftler beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eine Exporterlaubnis für so genannte Kalibrierquellen beantragt haben. Als Empfänger gab er eine nuklearmedizinische Einrichtung in Pakistan an. Die Ausfuhr wurde ihm allerdings untersagt, da das Empfängerinstitut nach Erkenntnissen deutscher Behörden in das pakistanische Atomwaffenprogramm eingebunden ist. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Wissenschaftler vor, dies gewusst zu haben. „Wir haben einige Indizien, die dafür sprechen“, sagte Staatsanwalt Wölk der taz.

Beim zweiten Mal bemühte sich der Wissenschaftler anscheinend gar nicht mehr um eine Genehmigung für die Ausfuhr und lieferte im November 2003 ein Alpha-Gamma-Spektrometriesystem im Wert von rund 100.000 Euro nach Pakistan. Empfänger war diesmal eine Handelsfirma. Dabei habe er alle Kontrollen umgangen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. „Wir konnten den Export leider nicht verhindern.“ Auch in diesem Fall gebe es „starke Indizien“, dass der Wissenschaftler vom wahren Empfänger wusste, sagt Wölk.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen möglicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Ermittlungen laufen noch, nach Angaben von Wölk liegt aber ein „dringender Tatverdacht“ vor. Ein vor wenigen Tagen erlassener Haftbefehl gegen den Wissenschaftler wurde inzwischen unter Auflagen außer Kraft gesetzt. Es bestehe keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Der mutmaßliche Händler bestreitet bislang, von den wahren Empfängern der Geräte gewusst zu haben. Näher hat er sich bis jetzt nicht dazu geäußert.

Bei der exportierten Technik handelt es sich in beiden Fällen um so genannte Dual-Use-Güter – also Geräte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. „Sie werden in der Forschung an Universitäten eingesetzt, sind aber auch dienlich beim Aufbau eines Kernwaffenprogramms“, so Wölk. Alpha-Gamma-Spektrometriesysteme dienen dazu, die Strahlungsintensität zu messen. Dabei kann es sich um Geräte zur Heilstrahlung wie um Atomwaffenmaterial handeln. Kalibrierquellen dienen unter anderem zur Eichung solcher Geräte, sie stehen auch in vielen Schulen und Universitäten. FLORIAN OEL