Moderat nach außen, autoritär nach innen

Die Konservativen werden ein Volk regieren, das sie nicht gewählt hat. Wie? Peking könnte Teheran ein Vorbild sein

BERLIN taz ■ Niemand zweifelt mehr daran: die Islamisten werden aus den iranischen Parlamentswahlen als Sieger hervorgehen. Bedenken, die erwartete niedrige Wahlbeteiligung betreffend, werden von den Konservativen beiseite gewischt. „Sieg ist Sieg“, sagte erst kürzlich einer ihrer Wortführer. „Es wird ein bis zwei Monate lang Proteste geben, danach werden sich die Gemüter beruhigen.“ Auch Exstaatspräsident Haschemi Rafsandschani, mächtigster Drahtzieher der Konservativen, hat schon vorgebaut: Auch in den USA liege die Wahlbeteiligung gewöhnlich bei dreißig bis vierzig Prozent, sagte er. Es habe dort bei den letzten Präsidentschaftswahlen sogar Wahlfälschungen gegeben.

Es steht also fest, dass die Konservativen das Parlament, in dem zurzeit die Reformer über eine Zweidrittelmehrheit verfügen, zurückerobern werden. Als nächster Schritt werden sie auch die Exekutive, die seit sieben Jahren von Mohammad Chatami geführt wird, übernehmen.

Die Frage ist nun, wie sie mit dieser absoluten Macht gegen ein Volk, das ihnen die Gefolgschaft verweigert, und gegen die Reformer aus dem eigenen Lager regieren wollen. Politische Beobachter meinen, eine kurzfristige Lösung könne in einer neuen Außenpolitik liegen: Die Konservativen werden gegenüber den USA und Europa moderat auftreten, sie werden ihnen Zusammenarbeit in Afghanistan, im Irak und im Nahen Osten anbieten.

Tatsächlich verfügt Iran in diesen Ländern und Regionen über großen Einfluss. Die Schiiten im Irak, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden, stehen in enger Verbindung zur iranischen Staatsführung. Im Nahen Osten werden militante Organisationen wie Hamas und Hisbollah seit Jahren aus Iran finanziell und militärisch unterstützt. In Afghanistan besitzt Iran eine große Hausmacht. Die USA wissen sehr wohl, dass sie vor allem im Irak, wo sie vor riesigen Problemen stehen, ohne Teheran nicht weiterkommen. Es ist bekannt, dass es seit über einem Jahr zwischen Teheran und Washington geheime Verhandlungen gibt. Die iranischen Verhandlungspartner stammen ausschließlich aus dem Lager der Islamisten.

Was bei dieser sich anbahnenden Kooperation zwischen dem „großen Satan“ und den „Schurken“, die zu der „Achse des Bösen“ zählen, problematisch werden könnte, ist das iranische Atomprogramm. Obwohl Iran erst im Dezember das Zusatzprotokoll zum Atomsperrvertrag unterzeichnet und sich zur Einstellung der Anreicherung von Uran bereit erklärt hat, deutet einiges darauf hin, dass Teheran mögliche Pläne zum Bau von Atomwaffen noch nicht endgültig beiseite gelegt hat. Iran bestreitet, derartige Pläne zu haben, doch die USA und auch israelische Geheimdienste gehen von Gegenteil aus.

Den iranischen Konservativen schwebt ein ähnliches Modell vor, wie es seit einigen Jahren in China erprobt wird: moderat nach außen, autoritär nach innen. Sie haben durch eine totale Blockadepolitik erreicht, dass die Reformer um Präsident Chatami nach sieben Jahren Regierung nichts Konkretes zustande gebracht haben. Auch im Ausland wird registriert, dass die Reformer, in die man jahrelang Hoffnungen gesetzt hat, kaum etwas ausrichten können und die eigentliche Macht bei den konservativen Islamisten liegt.

Könnte also das Modell China auch in Iran gelingen? In diesem Fall würden die USA die seit über zwei Jahrzehnten beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen Iran aufheben. Und das würde es dem Regime in Teheran ermöglichen, zumindest vorübergehend wirtschaftlichen Aufschwung zu demonstrieren. Sie könnten auch die Tore des Landes für größere Investitionen aus dem Ausland weiter öffnen.

Die Frage jedoch wäre, ob die USA – und noch mehr Europa – sich mit einem Regime arrangieren könnten, das gegen sein eigenes Volk regiert. Noch wichtiger ist jedoch, wie sich das iranische Volk verhalten wird. Wird es enttäuscht und resigniert in Apathie zurückfallen, oder wird es Widerstand leisten? Die nächsten Monate werden es zeigen.

BAHMAN NIRUMAND