„Ich bereue nichts“, sagt Herr Bani-Sadr

Vor 25 Jahren entstand in Iran der Gottesstaat. Abolhassan Bani-Sadr war erst Präsident der Islamischen Republik, später deren Gegner. Heute sagt er: Die Reformer um Chatami haben versagt – doch die Macht der Mullahs bröckelt

taz: Herr Bani-Sadr, Sie haben vor 25 Jahren den islamischen Staat im Iran mitgestaltet, Sie haben die Verfassung der Islamischen Republik mitgeschrieben und waren der erste Staatspräsident des Gottesstaates. Bereuen Sie das?

Abolhassan Bani-Sadr: Nein. In dem Entwurf der Verfassung, an dem ich mitgearbeitet habe, war noch nicht die Rede von dem System der velajat-e faghieh, der Herrschaft der Geistlichkeit. Später habe ich es in der Expertenversammlung durchgesetzt, dass für die religiöse Instanz keine Macht, sondern nur eine Kontrollfunktion vorgesehen wurde. Erst kurz vor Chomeinis Tod wurde die Verfassung geändert und dem geistlichen Führer eine absolute Macht zugeteilt.

Aber die Diktatur begann doch schon früher?

Ja. Die Diktatur hatte sich schon vorher etabliert. Es waren gesellschaftliche und historische Faktoren, die der Diktatur Vorschub leisteten, auch einzelne Personen spielten dabei eine Rolle. Ich habe diese Entwicklung schon früh vorausgesehen und versucht, sie aufzuhalten. Dies war auch mit ein Grund für meinen Entschluss, das Amt des Staatspräsidenten zu übernehmen. Nein, es gibt nichts, was ich bereuen müsste.

Ungeachtet der Rolle, die Sie persönlich gespielt haben, steht fest, dass jeder Versuch der Demokratisierung in einem Gottesstaat, in dem religiöse Instanzen entscheiden, scheitern muss. Das eigentliche Übel ist die Vermischung von Religion und Staat. Oder?

Ich war schon 1979 bei der Debatte über die Verfassung gegen diese Vermischung. Die Vermischung ist aber nicht der einzige Grund für die Diktatur. Es waren historische Strukturen, die den Absolutismus begünstigten. Diese wurden erzeugt durch die Monarchie, den Klerus und die Abhängigkeit vom Ausland. Die Revolution 1979 hat die Monarchie hinweggefegt und die Abhängigkeit vom Ausland auf ein Minimum reduziert. Übrig blieb der Klerus. Aber auch er hat nun seinen Heiligenschein verloren. Seine Basis ist auf eine winzige Minderheit geschrumpft.

Aber die Kernfrage bleibt die Trennung von Staat und Religion?

Ja. Die Religion muss nicht nur vom Staat, sondern auch von der politischen Macht getrennt werden. Das ist noch nicht einmal in Staaten geschehen, deren Verfassung eine Trennung von Staat und Religion vorsieht. In Frankreich etwa hat die Kirche immer noch großen Einfluss auf den Staat. Im Grunde sollten Religion und Staat voneinander unabhängig sein. Das geht nur, wenn beide Seiten die Grundsätze der Freiheit und Demokratie akzeptieren.

Genau das versuchen die Reformer um Chatami. Warum sind sie gescheitert?

Ihr Scheitern stand von vornherein fest. Die Reformer hatten zwar ernsthaft das Ziel, den islamischen Staat zu demokratisieren. Aber das funktioniert nicht. Man kann einen Staat, der in absolutistischer Weise von der Geistlichkeit beherrscht wird, nicht demokratisieren.

Und wie kann man die Geistlichkeit entmachten? Braucht Iran wieder mal eine Revolution?

Nein, wir haben die Revolution bereits hinter uns. Die absolutistischen Kleriker können wir auch ohne eine Revolution vom Sockel herunterholen. Sie sind, nachdem sie nun größere Teile aus dem eigenen Lager ausgeschlossen haben, außerordentlich geschwächt. Sie sind eine Minderheit, die sogar in sich selbst gespalten ist.

Unterschätzen Sie die Macht der Konservativen nicht? Sie scheinen doch immerhin noch die Möglichkeit zu haben, das Parlament zurückzuerobern. Es wird ihnen, zumindest kurzfristig, gelingen, dem Volk nochmals ihre Macht aufzuzwingen.

Nein, das glaube ich nicht. Die Wahlen am Freitag werden etwas anderes zeigen. Nach der letzten Umfrage werden in Teheran nur zwei Prozent an der Wahl teilnehmen. Selbst bei einer größeren Wahlfälschung wird man diese massive Wahlverweigerung nicht vertuschen können.

Die Konservativen versuchen den Druck von außen durch Konzessionen in der Atompolitik, auch durch Kooperation in Afghanistan und im Irak zu mildern. Sie führen Geheimgespräche mit den USA. In Kreisen der Konservativen spricht man von einem chinesischen Modell – also einem autoritären Regime nach innen, Konfliktvermeidung nach außen plus Wirtschaftswachstum. Ist das realistisch?

Nein. Das Modell China ist in Iran nicht durchführbar. Dazu ist das Volk zu politisiert und der herrschenden Macht fehlt es an entsprechenden Fähigkeiten. Eine Macht, die, wie die Wahlen zeigen werden, keine Basis mehr im Volk hat, verliert nicht nur im Inland jede Legitimation, sondern auch im Ausland. Man soll nicht außer Acht lassen, dass auch die Regierungen der USA und Europas auf die öffentliche Meinung angewiesen sind. In den USA stehen Präsidentschaftswahlen bevor. Die Zusammenarbeit mit einem Regime, das gegen das eigene Volk regiert, wird sich nicht ohne weiteres vermitteln lassen.

Sie sind also optimistisch?

Ja. Wir haben zum ersten Mal in unserer Geschichte klare Verhältnisse. Die Frage „Was tun?“ ist längst beantwortet. Die Monarchie ist gestürzt, der Klerus entlarvt, das Volk weiß, was es will: Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit. Ich bin überzeugt, dass wir die letzte Hürde bald überwinden werden. INTERVIEW: BAHMAN NIRUMAND