Mutmaßungen über Martin

Spielmacher und Mittelstürmer: Walser jetzt bei Rowohlt und beim Verbrecher Verlag?

Selbst hinter den vielen Kamerateams konnte man es sehen: Dieses Lächeln war ein enorm zufriedenes, ja spitzbübisches. Martin Walser hatte es wieder allen gezeigt. Kein Jahr war es her, dass sein Büchlein „Meßmers Gedanken“ erschienen und pünktlich in allen Feuilletons ordentlich besprochen worden war. Das fand Walser selbstredend gut. Noch besser aber fand er, dass sein Name auch nachfolgend täglich in der Zeitung stand, was aber nichts mit seinem neuen Buch und auch nichts mit einem der von ihm einst entfachten „Skandale“ (Tod eines Kritikers, Paulskirchenrede etc.) zu tun hatte.

Nein, es ging bloß um seine Zukunft als Suhrkamp-Autor. Geht er? Bleibt er? Warum äußert er sich nicht? Was soll das? Es wurde geraunt und spekuliert und mit den Füßen getreten in den Feuilletons und Online-Diensten, vor allem aber wurden brav die Finger gehoben: Hier! Hier! Ich will was sagen! Ich weiß es doch! Von Hoffmann und Campe war die Rede, von Wallstein, vom Ventil-Verlag und gar von Gallimard. Die Leude in den Feuilletons wollten, dass was passiert, die Leude wollten, dass Walser massiert, um es mal wieder mit Fünf Sterne De Luxe zu sagen. Und Walser massierte, aber es passierte nichts.

Nun aber war es endlich so weit: Da stand er neben seinen neuen Verlegern im Blitzlichtgewitter der Fotografen, links von ihm Alexander Fest von Rowohlt, rechts von ihm die beiden Chefs vom Berliner Verbrecher Verlag, Jörg Sundermeier und Werner Labisch, und winkte in die Menge hinein, in der rechten Hand ein Verbrecher-Verlags-Trikot mit der Spielmacher-10, in der linken ein Rowohlt-Trikot mit der Mittelstürmer-9.

Keiner sagte was – das war den vier Herren zu riskant nach den vielen Mutmaßungen über Martin zuletzt. Das überließen sie ihren Pressesprecherinnen. Anstatt aber auf die Fragen der versammelten Feuilletonisten hin die Walser-Verpflichtung ins rechte Verhältnis zu setzen: zu den Vorgängen bei Suhrkamp (Wer geht noch?), zu dem durch die Kunkel, Geipel und Zamar angeschlagenen Rowohlt-Verlag (jetzt Walser: Nationalverlag Rowohlt?), zu der neuen, ungewöhnlichen Ausrichtung des Verbrecher Verlags (Walser der neue Dath?), sprachen die Damen nur nebulös von „korrekten Ablösesummen“, „intelligenten Finanzierungsmodellen“ und „guten Chancen auf dem asiatischen Markt“. Als die Fragen noch drängender wurden (Walser größer als Grass und Beckham? Was ist mit Amerika?), spürte man, wie Alexander Fest immer nervöser wurde und auch die Mienen der Verbrecher zunehmend versteinerten – das hatten sie nicht gewollt! Kurzerhand wurde die Vorstellung beendet und es kam zu schweren Tumulten. Nur Martin Walser blieb cool, lächelte und winkte.

GERRIT BARTELS