Der Königsweg zum Atomausstieg

Fünf deutsche Atomkraftwerke sollten stillgelegt werden, weil sie Terroranschlägen mit abstürzenden Passagierflugzeugen nicht standhielten – das empfiehlt der Chef des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König. Betreiber EnBW: nicht nötig

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat den AKW-Betreibern wegen der Gefahren bei Terrorangriffen mit Flugzeugen die Stilllegung von fünf älteren Reaktoren vorgeschlagen. Die Atommeiler Biblis A, Brunsbüttel, Isar 1, Obrigheim und Philippsburg 1, bei denen der Einschlag eines Passagierflugzeugs zur großen Katastrophe führen kann, sollen nach dem Willen von BfS-Präsident Wolfram König schneller vom Netz genommen werden, als es im Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Betreibern ursprünglich vorgesehen ist. Dafür sollen etwas jüngere Atomkraftwerke dann entsprechend mehr und länger Strom erzeugen.

„Ich rate den Betreibern zur Verbesserung der Sicherheit, von den Instrumenten Gebrauch zu machen, die ihnen die Vereinbarung über den Atomausstieg zur Verfügung stellt“, sagte König gestern auf Anfrage. Bei der gesetzlichen Umsetzung der Ausstiegsvereinbarung war eine Klausel in das Atomgesetz aufgenommen worden, die eine Übertragung der noch erlaubten Reststrommengen von älteren auf jüngere Reaktoren zulässt.

Der Vorschlag von König nimmt die Ergebnisse einer Studie auf, die das Bundesumweltministerium nach den Terroranschlägen vom 11. September bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Auftrag gegeben hatte und die den alten Atommeilern schon vor Jahresfrist alles andere als die Sicherheit gegen Flugzeugabstürze bescheinigte. Nach der GRS-Studie führt bei den fünf von König genannten Atomkraftwerken der gezielte Aufprall eines mittleren oder großen Flugzeugs zu weitgehender Zerstörung des Reaktorgebäudes und schneller Freisetzung von Radioaktivität, also zu Katastrophen, deren Beherrschung fraglich ist. Obrigheim und Biblis A sollen nach der Studie immerhin den Aufschlag eines langsamer fliegenden, kleinen Passagierflugzeugs überstehen. Bei Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1 kann selbst durch diese Maschinen eine Katastrophe ausgelöst werden. Für die Konsequenzen aus der GRS-Studie sind neben den Unternehmen selbst vor allem die Länder zuständig, die im Auftrag des Bundes über die Sicherheit der AKWs zu wachen haben.

Die Ergebnisse der Studie seien den Ländern vor über einem Jahr zur Verfügung gestellt worden, erklärte gestern das Bundesumweltministerium. Man habe die Länder gebeten, „anlagenspezifische Untersuchungen“ der AKWs zu erstellen. „Diesen Verpflichtungen sind sie noch nicht nachgekommen“, kritisiert das Umweltministerium.

Das BfS hat nach eigenen Angaben lediglich bei den Zwischenlagern die Sicherheit bei Flugzeugabstürzen geprüft. „Die Aufsicht über die Atomkraftwerke gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich“, betonte Wolfram König. Dennoch hält es der Strahlenschutzpräsident für nicht ausreichend, dass sich die AKW-Betreiber mit Vernebelungsmaschinen vor Terrorangriffen schützen wollen. „Wenn der Eindruck entsteht, dass die Vernebelung die wesentliche Vorsorgemaßnahme ist, kann man nicht mit gesellschaftlicher Akzeptanz rechnen“, meint König. Der Energiekonzern EnBW, bei dem mit Philippsburg 1 und Obrigheim gleich zwei Reaktoren auf Königs Abschaltliste gehören, reagierte auf die Forderungen gestern abwehrend. Man müsse nichts machen, weil „zahlreiche Maßnahmen bereits umgesetzt“ seien.

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