Das Verwirrspiel der 20.000 Denker und Träumer

Krieg um die kulturelle Vielfalt: Die französischen Intellektuellen protestieren gegen ihre Regierung. Die Sympathie für den Kulturminister ist dahin

Der Titel ist ebenso dramatisch wie der Inhalt der Petition, die in Frankreich binnen weniger Tage 20.000 Unterschriften von Prominenten bekommen hat: „Krieg gegen die Intelligenz“ steht über dem langen Text, der die Politik der rechten Regierung ins Visier nimmt. Die Zeitung Inrockuptibles hat ihn lanciert und in der vergangenen Woche die Namen der ErstunterzeichnerInnen veröffentlicht. Unter ihnen sind so unterschiedliche Figuren wie der Philosoph Jacques Derrida, die Regisseurin Ariane Mnouchkine, der Filmemacher François Ozon und der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Michel Rocard.

Die Unterzeichner diagnostizieren einen „neuen staatlichen Antiintellektualismus“, wie es ihn „nie zuvor in der jüngeren französischen Geschichte gegeben hat“. Aus dem 21. April – dem Tag im Jahr 2002, an dem der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen zum zweitbestplatzierten Präsidentschaftskandidaten wurde – habe die rechte Regierung die falsche Lehre gezogen, die öffentliche Debatte zu simplifizieren und die öffentlichen Gelder aus all jenen Bereichen zurückzuziehen, die als unproduktiv gelten. Konkret: „aus jenen Orten, an denen gedacht, geträumt […] und gelehrt wird“.

Im Einzelnen listen die Unterzeichner unter anderem Budgetkürzungen an den Universitäten und staatlichen Forschungseinrichtungen auf, die Privatisierung der archäologischen Grabungen, das Desinteresse am öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen und die am 1. Januar in Kraft getretenen tiefen Einschnitte in das Sozialstatut für Schauspieler, die mehrere tausend Schauspieler und Theatertechniker ins soziale Abseits drängen werden.

Kulturminister Jean-Jacques Aillagon hat die Petition als „taktisches Verwirrspiel“ bezeichnet, bei dem „Dinge zusammengebracht werden, die nichts miteinander zu tun haben“. Der 57-jährige Exdirektor des Pariser Museums Pompidou genoss bei seinem Amtsantritt einen großen Sympathiebonus. 20 Monate später wird er ausgebuht. Bei der César-Filmpreisverleihung am Samstag in Paris applaudierte das Publikum minutenlang der Filmregisseurin Agnès Zaoui, die dem Minister vom Podium aus ins Gesicht sagte: „Wir haben eine kulturelle Vielfalt, für die uns die ganze Welt bewundert. Sie sind dabei, sie zu zerstören.“

Unterstützt wird der Kulturminister von Parteifreunden. Vizeminister Patrick Devedjian zeigt, auf welches politische Beispiel die Regierung in Paris mit ihrer Kulturpolitik schaut. „Bei uns unterzeichnen die Intellektuellen Petitionen“, so Devedjian, „in den USA haben sie Nobelpreise.“ DOROTHEA HAHN