„Novelle ist falscher Weg“

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, lehnt die Reformpunkte von Clements Kartell-Entwurf komplett ab. Die geplante Reform verlaufe einseitig zugunsten der Großkonzerne

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

taz: Frau Bettin, was passt Ihnen nicht am Kartell-Entwurf von Wirtschaftsminister Clement?

Grietje Bettin: Zunächst mal die Bagatellgrenze, die es den Großen ermöglichen würde, kleinere Blätter ohne jede Einspruchsmöglichkeit zu übernehmen. Außerdem die Erhöhung der Aufgreifschwelle, also des Wertes, ab dem das Kartellamt prüft. Und am allerwenigsten die so genannte Altverlegerklausel, die verstärkt regionale Monopole ermöglichen würde.

Alle drei Reformpunkte? Damit ist doch die Neufassung vom Tisch?

Ich sehe ja auch gar keinen zwingenden Handlungsbedarf. Dass das Kartellgesetz novelliert werden musste, stand ja schon länger fest. Das Pressethema ist dann nur hintenrum noch reingekommen.

Auf Druck der Politik oder der großen Verlagskonzerne?

Also, auf Druck der Politik – das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Deshalb ist die entscheidende Frage: Wie können wir den Status quo halten und endlich über echte Vielfaltsicherung nachdenken. Da braucht es neue Wege – diese Novelle wäre gerade der falsche.

Am Anfang haben die Grünen doch auch brav genickt.

Zunächst hat auch unsere Fraktionsspitze nur die ökonomischen Aspekte in den Vordergrund gestellt. Es gibt konjunkturelle Probleme bei vielen Zeitungen, es gibt Probleme im Anzeigenbereich. Nur darf eine Reform doch nicht einseitig zugunsten der Großkonzerne laufen, denen es gar nicht so schlecht geht.

Aber die Verleger sind sich doch angeblich einig: Es gibt eine entsprechende Stellungnahme des Verlegerverbandes BDZV, die von allen mitgetragen wird.

Wir haben vor allem mit den mittleren Verlegern gesprochen und uns nicht so sehr an der Darstellung des BDZV orientiert. Und wenn man dies tut, sieht man übrigens auch, wie stark der Verband von den großen Konzernen dominiert ist.

Und wie sieht’s in der Politik aus? Bezeichnenderweise wusste ja „Zeit“-Chef Michael Naumann aus dem Hause Holtzbrinck als Erster, was genau in der Novelle stand. Ganz zufällig war Naumann mal Medienminister im Kabinett von Gerhard Schröder.

Dass es sicherlich persönliche Kontakte gibt, dass man als Politiker auch immer von dem Umfeld, in dem man zu tun hat, geprägt ist, ist nahe liegend. Deswegen braucht man ja auch das Parlament, das jetzt hoffentlich entsprechende Änderungen der Änderung durchsetzt.

Welche Möglichkeiten rechnen Sie sich dabei aus?

Wir hoffen sehr, dass wir hier das Schlimmste – das Redaktionsmodell mit den Altverlegern – verhindern können. Bei der Aufgreifschwelle oder Bagatellklausel kann man sicherlich diskutieren. Aber ich halte nichts davon, das im Rahmen der Novelle jetzt einfach durchzuziehen. Wir brauchen eine vernünftige Bestandsaufnahme und Analyse der Ist-Situation und eine öffentliche Diskussion darüber. Und dann muss überlegt werden: Wo und wie kann ich sinnvoll Erleichterungen schaffen – für die Verlage, die es wirklich nötig haben.

Ist es dafür nicht etwas spät?

Das Thema ist nun mal sehr komplex. Es gibt wenig konkrete Zahlen. Und vergessen Sie nicht: Die öffentliche Debatte hat sehr spät eingesetzt. Schließlich sind die Zeitungen selbst Teil der Auseinandersetzung. Bis auf wenige Ausnahmen hat doch kein Titel Interesse daran, eine große kritische Berichterstattung zu machen. Entsprechend wird die Brisanz des Themas an manchen Stellen erst langsam wahrgenommen.