Andruck unter Zeitdruck

Die Hälfte der taz-Auflage wird bei Caro in Frankfurt gedruckt – auch die NRW-Ausgaben

Eine kontemplative Architektur: Unter dem gläsernen Dach über dem hinteren Trakt des Ökohauses Arche am Frankfurter Westbahnhof plätschert ein Bächlein in kleinen Wasserfällen über Steinstufen, an den Wänden ranken Pflanzen, draußen vor dem Fenster schwimmen Goldfische im Schilfteich. Hinter der Tür am Ende des Ganges lärmt das Kontrastprogramm, herrscht Hektik, da zischt und rauscht in der hohen Halle der Firma Caro Druck die riesige, marineblaue Solna Distributor-Rollendruckmaschine aus Schweden, die Papierbahnen rollen durch die Doppeldruckwerke, es riecht nach Farbe. Seit Dezember wird eine halbe Stunde früher angedruckt: Tempo, Platten wechseln, drucken nach dem Diktat der unerbittlichen Uhr. Die taz, größter Kunde der Druckerei, produziert täglich vier Seiten mehr. Caro investierte 500.000 Euro für drei neue Druckwerke und druckt seit Dezember die beiden zusätzlichen taz-Ausgaben, zwei Landesseiten der taz Nordrhein-Westfalen und dazu je zwei unterschiedliche Lokalseiten für Köln und Ruhr.

Der Andruck für die taz ist seither auf 17.45 statt 18.15 Uhr vorgerückt. Die Kölner Redaktion ist die erste, die ihre fertigen Seiten per DFÜ liefern muss. Für Verzögerungen ist kein Platz. Viereinhalb Stunden später ist alles vorbei, fast 50.000 Exemplare der taz von morgen sind gedruckt, etikettiert, verpackt und auf dem nächtlichen Weg zu den Grossisten, Bahnhofsbuchhandlungen und Abonnenten im Süden, Südwesten und Westen. Nur wenige Minuten Verspätung hießen: kein regulärer Transport – und damit Gewährleistung der Druckerei für teure Nachfahrten. „Wir könnten“, sagt Geschäftsführer Gerd Heinemann, „an einem Tag den Gewinn von einem ganzen Monat verlieren.“ Seit Anfang Dezember 2003 ist die Zeit noch knapper bemessen. Heinemann ist darüber gar nicht so unglücklich: „Das Korsett ist zwar enger, aber wir sind dadurch strukturierter in unseren Arbeitsabläufen geworden.“

Caro Druck ist „so um 1968“ in Süddeutschland von Autodidakten gegründet worden und ist mittlerweile Tochter der Kühl KG, der Rechtsnachfolgerin des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW). Die damaligen Maoisten brauchten in den 70er-Jahren, wie andere linke Gruppen auch, eine eigene Druckerei für Flugblätter und Parteizeitung. Vieles musste ausprobiert, Kenntnisse mühselig erworben werden. Heinemann: „Learning by doing.“ Druckereileiter Klaus Sutor hat keine Zeit für die Rückschau. Er legt Farbeimer und Spachtel gar nicht erst aus der Hand. Die grauen Haare und der Bart sträuben sich abwehrend, keine Zeit, schon gar nicht für etwas so Überflüssiges wie Selbstdarstellung oder gar Eigenlob.

Der Wille, eigene Grenzen zu erproben, hat sich bis heute erhalten. Dieser Crash-Kurs löste am Abend des 7. Dezember 2003 in der Berliner taz-Zentrale Jubel aus: Die NRW-taz war das erste Mal ausgeliefert, alles hatte geklappt. Die Drucker sollen, so entschied die Vertriebsleitung hinterher, als Dank reichlich Sekt zu trinken bekommen. „Wieso denn das?“, hatte Klaus Sutor da nur gefragt und irritiert dreingeblickt: „Das ist doch unsere Pflicht.“ Pflicht hin oder her, taz-Vertriebsleiterin Gabi Winter ist begeistert von der Leistung der Drucker in der Kasseler Straße 1 a: „Caro Druck hat für Planung und Umstellung der Maschinen nur 5 Wochen benötigt, obwohl das normalerweise 5 Monate Vorlauf gebraucht hätte.“

In das Ökohaus, im Besitz der Kühl KG, ist auch Caro 1992 mitgezogen. Es entstand durch einen Grundstückstausch mit einer Bank, die das Haus finanzierte, das nach damals noch experimentellen Kriterien des ökologischen Bauens entstand. Im Gegenzug erhielt die Bank das mit den Mitgliederbeiträgen des KBW erworbene Grundstück in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs. Seither ist das Haus, in dem über 30 Firmen, Ärzte, Initiativen, unter anderem Öko-Test, Dr. med. Mabuse und die taz, Mieter sind, auch Vorzeige- und Besichtigungsobjekt für Architekturstudenten, japanische Reise- und Tagungsgruppen.

Die taz wird seit 1982 bei Caro gedruckt – knapp 50.000 Exemplare. Darüber hinaus wird die taz noch bei A. Beig Druckerei und Verlag in Pinneberg (24.000 Exemplare) und Henke Pressedruck (20.000) gedruckt. Die taz ist zwar der größte, aber nicht der einzige Caro-Kunde. Etliche Anzeigenblätter, Broschüren, Fach-, Studenten- und Universitätszeitungen werden produziert. Die Belegschaft ist von 20 auf 40 Mitarbeiter angewachsen, gezahlt wird ein nach Qualifikation gestaffelter Einheitslohn. Die Bilanz ist fragil, im besten Fall, so Heinemann, schreibe man „eine schwarze Null“. Die Sicherheit des Betriebes und der Arbeitsplätze steht und fällt mit der taz. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Es werde, sagt Heinemann, „mit offenen Karten gespielt“: „Wir haben nicht das Gefühl, für einen kurzfristigen Vorteil über den Löffel balbiert zu werden.“ HEIDE PLATEN