Deutschland schickt Soldaten in den Kongo

Zwei Stabsoffiziere der Bundeswehr sollen im Osten des Landes an der von Belgien geleiteten Aufstellung einer neuen kongolesischen Armee teilnehmen. Nach der Ausbildung sollen die Soldaten in Ituri Milizen bekämpfen

BERLIN taz ■ Die Bundeswehr beteiligt sich an der militärischen Stabilisierung der Demokratischen Republik Kongo. Wie die taz am Wochenende aus gut informierten Kreisen erfuhr, werden zwei Stabsoffiziere in der ostkongolesischen Stadt Kisangani an einem belgisch geführten Programm zur Ausbildung und Bereitstellung einer neuen kongolesischen Nationalarmee teilnehmen.

Am vergangenen Freitag hatte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber Nachrichtenagenturen eine Vorabmeldung des Kölner Stadtanzeigers bestätigt, wonach Belgien Deutschland um die Entsendung von Stabsoffizieren in den Kongo gebeten habe. Die Anfrage werde geprüft; vor einer Zusage wolle Verteidigungsminister Peter Struck sich vergewissern, ob dafür die Zustimmung des Bundestags nötig sei. Wie die taz erfuhr, steht die Zusage in Wirklichkeit längst fest und der Einsatz ist bereits beschlossene Sache.

Zwei Offiziere sind kaum mehr als Symbolik; dennoch geht ihre Entsendung über bisherige ähnliche Interventionen hinaus, die eine viel größere politische Debatte hervorgerufen hatten. So gab der Bundestag vergangenes Jahr grünes Licht für die Beteiligung der Bundeswehr an der französisch geführten EU-Militäroperation „Artemis“ in der kongolesischen Stadt Bunia von Juni bis September 2003 – die Beteiligung beschränkte sich letztlich auf logistische Hilfe in Uganda. Als vor wenigen Monaten die grüne Außenstaatssekretärin laut über deutsche Stabsoffiziere bei einer eventuellen UN-Mission im Sudan nachdachte, wurde sie noch zurückgepfiffen.

Belgien bildet in Kisangani, der größten Stadt des ostkongolesischen Rebellengebiets, das erste Bataillon einer im Entstehen begriffenen neuen Armee des Kongo aus, in der alle die bisherigen Kriegsfraktionen des zerrissenen Landes vertreten sein sollen. 196 Soldaten aus Belgien und 11 aus Frankreich lehren seit Februar 888 kongolesischen Militärs aus unterschiedlichen Bürgerkriegsfraktionen, wie man als Berufssoldat Sicherheit schafft, statt wie bisher im Kongo üblich die Bevölkerung zu terrorisieren.

Dieses erste Bataillon soll seine Ausbildung am 12. März abschließen. Zwei weitere folgen, und im Juni steht dann eine Brigade aus 3.400 Mann – erster Kern einer neuen Armee für den neuen Kongo. Die Franzosen trainieren darüber hinaus Gendarmen. All dies findet außerhalb der UN-Mission im Kongo (Monuc) statt.

Das Programm ist umstritten. Die größte kongolesische Oppositionspartei, die nicht an der Allparteienregierung beteiligte UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), spricht von belgischen „Kampftruppen“ zur Unterstützung einer „diskreditierten Führung“. Ein Vertreter einer US-Menschenrechtsorganisation meint: „Was ist, wenn die neu ausgebildeten Soldaten hinterher Menschenrechtsverletzungen begehen?“

Denn die neue Brigade soll ab Juni im nordostkongolesischen Distrikt Ituri eingesetzt werden, Schauplatz der EU-Operation Artemis im vergangenen Jahr. Dort bekämpfen sich immer noch rivalisierende Milizen. Sie dürfen nicht Teil der neuen Armee werden, und dies führt jetzt schon zu Spannungen. Es häufen sich Angriffe auf die über 4.000 UN-Blauhelmsoldaten in Ituri, und ein Kampfeinsatz einer neuen kongolesischen Nationalarmee würde eher mehr Gewalt bringen als weniger.

Dass Deutschland sich im Kongo an der Seite Belgiens engagiert, kommt nicht überraschend. Es war bereits Thema bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Der Monuc-Informationsdienst nannte am 14. Februar als Interessenten für das belgisch-französische Programm Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Südafrika und die USA.

Nach einem Bericht der belgischen Zeitung Le Soir geht das Programm über eine Militärausbildung hinaus: Es orientiert sich an den militärischen Wiederaufbauprogrammen im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan, an denen in Kundus die Bundeswehr teilnimmt. Die UNO hat in Kisangani bereits zahlreiche humanitäre Programme eingerichtet, an denen auch belgisches Militär beteiligt ist.

Innenpolitischer Streit in Deutschland ist nicht zu erwarten, denn der Einsatz entspricht dem Wunsch der Opposition. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer forderte die Entsendung von Stabsoffizieren in den Kongo zuletzt in einer Bundestagsdebatte am 12. Februar. Darüber hinaus will die Unionsfraktion, dass Deutschland die UN-Mission im Kongo stärkt; dies hat die Bundesregierung jedoch derzeit nicht vor.

DOMINIC JOHNSON