Koexistenz nach nordischem Design

Die Dänen regeln als Erste den Anbau von Genpflanzen. Der Deutsche Bauernverband hält den Vorstoß für „richtungweisend“. Sollte Agrarministerin Renate Künast ihn übernehmen, dürfen sich Gentech-Bauern freuen. Für die anderen wird es teuer

„Reine Parodie“ ist für Greenpeace der Anspruch auf Schadenersatz

AUS KOPENHAGENREINHARD WOLFF

„Richtungsweisend“, so urteilt der Deutsche Bauernverband über einen dänischen Gesetzesentwurf zum Anbau von Genpflanzen, der europaweit Aufmerksamkeit erregt. Am Donnerstag wird ihn das Parlament in Kopenhagen beraten. Dänemark regelt damit als erstes Land innerhalb der EU, wie die Koexistenz von herkömmlichen und genetisch manipulierten Pflanzen en detail aussieht. Ginge es nach der hiesigen Agrarlobby, sollte die deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) die Regeln komplett übernehmen. Die Folge: Vor allem die Gentechbauern würden begünstigt.

Künast hat bisher allerdings zugesagt, die zu schützen, die Gentechnik ablehnen. Ganz grundsätzlich sind die Absichten der dänischen und der deutschen Regierung aber gleich: Zum einen soll der Pollenflug auf Nachbarfelder verhindert werden; zum anderen wird festgelegt, wer haftet, falls es doch zu unkontrollierten Auskreuzungen kommt.

Nach den dänischen Koexistenzregeln müssen Genbauern nach Pflanzenarten differenziert Abstandsflächen, Pufferzonen und bestimmte Fruchtwechsel einhalten. Außerdem müssen sie genaue Vorschriften beachten, wie etwa ihre Sämaschinen zu reinigen sind. Darüber hinaus müssen sie jede Aussaat von Genmais oder -raps bei einer Anbaubehörde anmelden und die Nachbarn darüber informieren. Ohnehin dürfen Landwirte die Genpflanzen nur anbauen, wenn sie vorab einen Kurs zur so genannten guten fachlichen Praxis – eine Art Gentech-Führerschein – gemacht haben.

Unfälle sind dennoch nicht ausgeschlossen. Kommt es trotz Sicherheitsmaßnahmen zur Kontamination eines benachbarten Feldes, kann ein Landwirt deshalb Schadenersatz fordern. Etwa weil er sein Ökogetreide, für das er „ohne Gentechnik“ garantiert, nicht mehr absetzen kann. In diesem Fall soll ein Kompensationsfonds einspringen, der zum größten Teil vom Staat getragen wird. Gentechgegner fordern vor allem in diesem Punkt – in Dänemark wie in Deutschland – eine stärkere Verantwortung der Agrokonzerne.

Stellt sich erst eine Anbauperiode später heraus, dass es Verunreinigungen gab, gibt es keinen Schadenersatz. Auch wenn der betroffene Acker nicht in unmittelbarer Nähe zum Gentech-Feld liegt, bleibt der Landwirt auf seinem Schaden sitzen. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen – worauf beispielsweise Greenpeace in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf hinweist – , dass eine Bestäubung von bis zu 26 Kilometer entfernten Rapspflanzen ebenso möglich ist wie ein bis zu zehnjähriges Überleben von Rapssamen in der Erde.

Auch das finanzielle Risiko, Ansprüche aus dem Koexistenzgesetz geltend zu machen, wird in Dänemark zunächst auf den gentechfrei produzierenden Bauern abgewälzt.

Die Kosten für die Labortests muss er erst einmal selbst vorfinanzieren. Ergibt sich eine Gentech-Beimischung von bis zu 0,9 Prozent, gilt diese als „tolerierbar“ und er erhält nicht nur keine Erstattung, sondern bleibt auch auf den Laborkosten hängen. Da das Gesetz gleichzeitig eine „Bagatellgrenze“ von rund 620 Euro verordnet, bis zu der ein Gentech-Schaden nicht ersetzt werden muss, würde es sich bei den in Dänemark üblichen Feldgrößen von meist unter fünf Hektar wirtschaftlich für einen solchen Landwirt im Zweifel sogar negativ auswirken, ein Kompensationsverfahren anzugehen.

„Eine reine Parodie“ ist ein derart eingeschränkter Haftungsanspruch für Greenpeace: „Sie wird den geschädigten Landwirt allenfalls abhalten, Schadenersatz zu beantragen.“

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