„Beware of the old men!“

Peter Scholl-Latour war Kriegsreporter und ist heute Sachbuchautor und allgegenwärtiger Experte in Talkshows. Heute wird er achtzig. Ein Gespräch über Krieg, romantische Revolutionen und Opium

Berlin-Charlottenburg, ein sonniger Morgen. Im fünften Stock öffnet die Tür: P-S-L, wie das Klingelschild verrät. Uns empfängt der Grandseigneur des stilvollen Abenteuerjournalismus, ein umstrittenes Relikt vergangener Zeiten, und lächelt sein leicht süffisantes Scholl-LatourLächeln. Sieht blendend aus, Gesicht braun, helle Stoffhose, dunkelblaues Jackett und natürlich sein Markenzeichen: der Seidenschal, heute in Blau.

taz: Herr Scholl-Latour, Sie hatten ihr ganzes Leben mit Kriegen zu tun. Gab es für sie jemals die Chance, Pazifist zu werden?

Peter Scholl-Latour: Nein, das liegt mir nicht. Krieg ist etwas sehr Menschliches. Meine katholische Erziehung hat mich in der Einsicht geprägt, dass der Mensch nicht a priori gut ist. Das Böse existiert. Gleichwohl respektiere ich Menschen mit pazifistischer Überzeugung.

Der Mensch hat keine Chance, den Krieg zu überwinden?

Wir sind uns dem nicht so bewusst, aber 60 Jahre Frieden in Deutschland ist ein Ausnahmezustand. Eine Phase, die jetzt zu Ende geht. In allem haben die Amerikaner auch nicht Unrecht. Wir müssen uns auf die Gefahren einstellen, allerdings werden die weniger von den so genannten Schurkenstaaten ausgehen, sondern von Verbrechern und Fanatikern.

Sie betonen immer wieder, dass sie sich gegen die Altersmilde und für den Zorn entschieden haben. Wer bekommt das zu spüren?

„Beware of the old men“, sagte der Schriftsteller Bernhard Shaw immer. Das ist ein Vorteil des Alters, ich muss auf niemand mehr Rücksicht nehmen und kann sagen, was sich andere nicht trauen. Zum Beispiel kann ich Struck für die taktisch völlig unkluge Lage des Camp Warehouse [der Bundeswehr] in Afghanistan kritisieren.

Sie haben zu Ihrem Geburtstag ein neuen Film und ein Buch fertig gestellt. „Weltmacht im Treibsand – Bush gegen die Ajatollahs“ heißen die Werke. Was liegt Ihnen mehr: das Filmemachen oder das Schreiben?

Filme machen mehr Spaß. Es ist etwas Handwerkliches dabei, ich kann mit dem Kameramann und mit dem Cutter diskutieren. Schreiben ist anstrengend. Seitdem ich 55 bin, habe ich 24 Bücher geschrieben. Aber in Gedanken bin ich schon beim nächsten, ein Kapitel habe ich geistig auch schon vor mir.

Helfen Sie sich mit Schreibritualen?

Am besten geht es morgens. Ich schreibe von Hand. Bei diesem Buch habe ich etwas Unvorsichtiges gemacht: Weil es bis zu meinem Geburtstag fertig sein musste, habe ich während der Reisen nach Afghanistan, Irak und Syrien geschrieben. Ein furchtbarer Stress.

Könnte es Sie reizen, etwas ganz anderes zu schreiben?

Ja, einen Roman. Uli Wickert hat gerade einen geschrieben, der gar nicht so schlecht ist. Vielleicht habe ich aber zu viel erlebt. Ein guter Roman braucht eine stille Kammer am Bodensee.

Sie waren 1968 ARD-Korrespondent in Paris. Hatten Sie Sympathien für die protestierenden Studenten?

Ich war damals schon über 40, und es galt ja das Motto: Trau keinem über 30. Die ganze 68er-Bewegung war aber eine sehr romantische Angelegenheit. Der Innenhof der Sorbonne bei Nacht, das war ein fast lyrisches Revolutionsbild.

Frankreich wohnt in Ihrem Herzen?

Im Politischen bin ich sehr französisch. Die Priorität der Politik. Außerdem war ich überzeugter Gaullist und bin es immer noch. Mein erster Wohnsitz ist Paris, im Sommer versuche ich in Südfrankreich zu sein. Durch die Arbeit bin ich jetzt auch öfter in Berlin. Was mich wirklich aufregt, sind diese antifranzösischen Tendenzen in den deutschen Medien. Die Deutschen und die Franzosen brauchen sich nicht zu lieben. Aber die Franzosen schlecht zu machen, nur um sich den Amerikanern anzudienen – das ist lächerlich.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Opium?

Opium gab es vor allem in Kambodscha. Dort habe ich ein paar Mal geraucht, es hatte keinen großen Effekt, beruhigend, aber keine erotischen Visionen.

Sind Sie wegen ihres Alters schlecht behandelt worden?

Nein, außer durch Herrn Avenarius von der Süddeutschen Zeitung, der mich der Altersgeilheit bezichtigt hat. Ich habe meine Frau gefragt, sie hat gelacht.

Ist Sexualität im Alter etwas Anstößiges?

Der Sexualtrieb ist natürlich nicht mehr der gleiche wie mit 20. Das ist klar, obwohl ich auch heute noch gern schönen Frauen hinterherschaue. Im Orient und in Asien sind Sie als älterer Mann höchst respektiert. Meine Generation ist ja praktisch tot. Entweder sind sie im Krieg weggeschossen worden oder gestorben. Meine Kameramänner, die meine Enkel sein könnten, das sind prima Jungs, mit denen ich sehr gut auskomme.

INTERVIEW: HENNING KOBER