Lord auf Abwegen

Schwarze Zeiten für Conrad Black: Der konservative britische Verleger („Telegraph“) erweist sich als Hasardeur und Wirtschaftskrimineller

Ein englischer Baron, der seine eigene Firma um Millionen prellt und sich dabei erwischen lässt, zwei ältliche Zwillinge, denen das Londoner Hotel „Ritz“ gehört, und eine Übernahmeschlacht um eine konservative Qualitätszeitung, die täglich fast 1 Million Exemplare verkauft – jedes Drehbuch mit einem einem solchen Exposé würde wohl rundheraus als „viel zu unrealistisch“ abgelehnt.

Dabei ist alles schnöde Wirklichkeit: Conrad Black, von der englischen Königin zum Lord Black of Crosshabour geadelt, hatte sich und anderen Topmanagern seiner kanadischen Firmenholding Hollinger International heimlich und am Aufsichtsrat sowie den Mitvorständlern vorbei insgesamt mehr als 27 Millionen Euro aus der Konzernkasse zukommen lassen. Zur Hollinger-Zeitungsgruppe gehören unter anderem die Sun-Times (Chicago), die Jerusalem Post und eben der Londoner Daily Telegraph (Auflage 914.000) nebst seiner Sonntagsschwester Sunday Telegraph.

Jetzt sollen die meisten dieser Blätter verkauft werden, womit Hollinger natürlich nicht den in Ungnade gefallenen Exboss und Immer-noch-Mehrheitseigner, sondern die Handelsbank Lazard beauftragte. Doch Black verhandelte – wieder ohne Wissen von Gesamtvorstand und Aufsichtsrat – mit den Gebrüdern Barclay über eine Übernahme der Telegraph-Titel.

Den bald 70-jährigen Zwillinge Sir David und Sir Frederick Barclay, deren Vermögen laut britischen Presseberichten auf 1 Milliarde Pfund geschätzt wird, gehört neben dem „Ritz“ bereits ein hübscher kleiner Zeitungskonzern, der vor allem in Schottland aktiv ist (Scotsman, Scotland on Sunday). Beide sind Junggesellen, geben höchst selten Interviews und haben den Ruf, ihre Blätter gemäß ihren eigenen, zutiefst antieuropäischen Überzeugungen auszurichten. Dies hielt sie zwar nicht davon ab, Robert Maxwells Traum von einer europaweit erscheinenden Zeitung aufzukaufen – doch der European ist längst eingestellt.

Auf Antrag von Hollinger wurde Black bereits vor knapp zwei Wochen untersagt, von seinen Stimmrechten im Konzern Gebrauch zu machen – und die Verhandlungen mit den Barclays fortzusetzen. Der reagierte prompt und verklagte Hollinger am Mittwoch vor einem kanadischen Gericht auf Zahlung von rund 90 Millionen Pfund, die ihm an offenen Honoraren zustünden.

Für den Telegraph dürfte dies unerheblich sein: Noch am selben Tag teilte dessen Verlag in London mit, dass Black nicht länger Aufsichtsratsvorsitzender und Direktor sei. Für das Blatt interessieren sich diverse andere britische Medienkonzerne. Die Redaktion hat mittlerweile eine Kommission unter Chefredakteur Martin Newland gebildet, die nun ihrerseits die Lazard-Banker bei ihrer Käufersuche beraten will. STEFFEN GRIMBERG