„Aufbau“ ist nicht tot, nur müde

Während noch die Jubiläumsausgabe der jüdischen Emigrantenzeitung „Aufbau“ am Kiosk liegt, platzt der „Spiegel“ mit der Meldung von ihrem Aus in die Feierlichkeiten zum 70sten – eine Ente als Geburtstagsgeschenk?

BERLIN taz ■ Keine der chronischen Notstandsmeldungen, sondern das endgültige Aus des traditionsreichen Blattes sollte es nun also sein.

Der aktuelle Spiegel machte am Montag schlagartig die zahlreichen Artikel hinfällig, die den Geburtstag der Zeitung ausgiebig – nebst Hinweisen auf die prekäre finanzielle Lage – gewürdigt hatten. Unter Berufung auf Andreas Mink, den Chefredakteur des New Yorker Büros, meldete das Nachrichtenmagazin das drohende Aus für das deutsch-jüdische Blatt. Würde man nach den geplatzten Verhandlungen keine neuen Investoren finden, könnte sich der Aufbau maximal bis zum Ende des Monats über Wasser halten.

Dermaßen klare Ansagen sind Selbstläufer. Schon nach wenigen Stunden war der Wortlaut auf unzähligen Internetseiten abrufbar. Die eben noch bejubelten 70 Jahre interessierten niemanden mehr.

Allerdings wollen weder die Mitarbeiter aus der Berliner Redaktion, die schon fleißig an der nächsten Ausgabe schreiben, noch der New Yorker Chefredakteur die drohende Pleite bestätigen. „Der Spiegel hat den Inhalt arg verkürzt und zugespitzt“, sagt Mink verärgert. Natürlich sei die wirtschaftlich schlechte Lage des Blattes kein Geheimnis: „Wir haben über die Jahre immer ein finanzielles Problem gehabt, aber wir haben keine Schulden oder stehen nahe vor der Liquidierung. Das ganze Thema soll nicht zum Dauerdrama hochgespielt werden.“

Mink gibt offen zu, dass der Versuch, die Auflage in den USA durch eine zweisprachige Ausgabe zu erhöhen, misslungen ist. Eben deshalb müssten nun Konsequenzen gezogen werden. Die Redaktion in New York soll umstrukturiert, also verkleinert werden. Im Gegenzug will man aber das Berliner Büro weiter ausbauen, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich auf dem deutschen Markt noch Leser gewinnen lassen. „Wir stecken nach wie vor in Verhandlungen“, so der Chefredakteur. „Vor allem die Gespräche mit der Jüdischen Gemeinde in Berlin sind vielversprechend.“ Noch besteht also Hoffnung, dass in der nächsten Ausgabe am 18. März die Konsolidierung der Zeitung bekannt gegeben wird.

Mink klingt müde. Die Jubiläumsausgabe hat ihn viel Arbeit und mentale Kraft gekostet. Sein Fazit über die vergangenen Wochen zieht er mit einem schwachen Lächeln: „Bei all den Anstrengungen ist uns gar nicht aufgefallen, wie sehr wir die Öffentlichkeitsarbeit vernachlässigt haben.“ KRISTINA GRAAFF