„Über Gebühren nachdenken“

Die Debatte über Studiengebühren bei den Grünen ist Grietje Bettin viel zu platt geführt. Das bezahlte Studium macht keinen Sinn – noch. Vorher braucht es Studienkonten und mehr innovative Lehre

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER

taz: Sie haben versucht, den Grünen bei Studiengebühren ein neues Gesicht zu geben. Und schon greifen die Großkopfeten ein. Fritz Kuhn …

Grietje Bettin: … hat sich gleich reflexartig beschwert. Weil ich vorgeschlagen habe, bevor man Studiengebühren einführt, erst mal auf die für 2005 geplante Senkung des Spitzensteuersatzes zu verzichten. Das Geld wäre gut angelegt – wenn man damit die Situation der Unis verbessert.

Aber über Gebühren, die Ex-Parteichef Kuhn will, kämen doch auch ein paar Euro rein.

Theoretisch vielleicht. Die Praxis von Gebühren, siehe Niedersachsen, sieht anders aus. Die Finanzminister sacken das Geld sofort ein. Studiengebühren wären auch geeignet, die Position der Studierenden zu stärken, Stichwort: Kunde. Aber auch das gilt eben nur theoretisch. Bei hoffnungslos unterfinanzierten Hochschulen gilt: Das Produkt Examen ist heute noch viel zu schlecht, als dass man dafür Geld verlangen könnte.

Das klingt nach Alt-Grün: Gebühren sind des Teufels!

Das würde ich so nicht sagen. Unter bestimmten Bedingungen muss man darüber nachdenken, wie sich der Einzelne an seiner Ausbildung finanziell beteiligt. Bildung ist, so will es unsere Kultur, ein öffentliches Gut. Das ist gut, aber wir müssen uns darauf einstellen, dass sich das ändert.

Wieso gehen Sie auf so ein vermintes Gelände? Von Hardcore-Gebühren-Gegnern bis zu den Fans sind nun alle böse.

Nö, so schlimm war’s nicht. Die Fraktion kann sich aus diesem Streit nicht heraushalten, wir müssen die Debatte anstoßen.

Was ist neu an Ihrer Position: das entschlossene „Ja, aber“?

Mir geht die platte Pro-und-Contra-Debatte auf die Nerven. Deswegen haben wir mal aufgeschrieben, was da alles zusammenkommt. Einfach zu sagen, der Kindergarten kostet viel Geld, aber die Uni ist umsonst …

wie es Joschka Fischer tut …

… ist mir zu simpel. Da spielt vieles mit rein, von der öffentlichen Bildungskultur bis hin zu fiskalischen Argumenten. Nur 19 Prozent eines Jahrgangs schließen ein Studium wirklich ab. Studiengebühren wären da kontraproduktiv. Die machen ein Studium nicht effizienter, sondern treiben die Leute hinaus – wenn sie als schnöde Abgabe daherkommen. Was wir brauchen, ist eine Lenkungswirkung.

Was meinen Sie damit?

Das Modell der Studienkonten. Da steckt ein Mechanismus drin, der Anreize für Studierende setzt. Sie werden ihr Studium zielorientierter führen – und wir nehmen zusätzliches Geld in die Hand, um ihnen dafür auch die Bedingung zu schaffen. Wenn das alles läuft, kann man sagen: So, jetzt sollten Studis sich finanziell an den Vorteilen beteiligen, die sie beim Studium erwerben.

Für die Gegner genau das Problem: Aus den Konten wachsen leicht ordinäre Gebühren.

Das können wir nicht auflösen. Der Gesetzgeber ist nun mal unabhängig. Wir müssen im Auge behalten, wie viel Geld vom Bruttosozialprodukt wir für Hochschulen ausgeben. Solange wir den OECD-Schnitt von 1,7 Prozent nicht erreicht haben, brauchen wir über Gebühren gar nicht reden. Das muss für uns Bündnisgrüne Standard sein.

Typisch grün: Wasch mich – aber mach mich nicht nass!

Nein, wir machen sehr klare Vorschläge – etwa die Stiftung Innovative Lehre. Das ist eine neue Institution, als Pendant zur Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ihre Idee ist: Ohne frisches Geld kann man den Tanker Hochschule nicht flott kriegen, gerade bei der völlig vernachlässigten Lehre. Wir machen die Lehre exzellent, indem die Hochschulen neue Lehr- und Lernformen beantragen können. Denn die Lehre ist das Stiefkind der Unis, und das darf nicht sein.