mösenstövchen bleibt von WIGLAF DROSTE
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Das böseste Wort mit B heißt immer noch: Beziehung. Wie das schon klingt, Be-zieh-ung: klinisch, blutleer, gewollt neutral, gefühlsarm. Und doch gibt es kaum Deutschsprachige beiderlei Geschlechts, die das hässliche Wort nicht dauernd im Munde führen und, wenn sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten persönlich werden, über ihre Beziehungen reden. Was sie dann sagen, klingt selten gut – das hat auch mit dem Begriff zu tun. Wie soll etwas beglückend sein, das sich so schäbig, reduziert und resigniert anfühlt wie Beziehung?

In den Siebzigerjahren kam das Wort in inflationären Gebrauch. Liebe galt als altmodisch, konservativ, nicht zeitgemäß und unsouverän – der moderne Mensch und vor allem die moderne Frau hatte stattdessen: Beziehung. Wer nicht von Liebe sprach, sondern von seiner Beziehung, signalisierte damit Distanz. Liebe ist man ausgeliefert – eine Beziehung kontrolliert man. Die Leidenschaften werden auf kleiner Flamme in Grund und Boden gedünstet, und hinterher wundern sich alle, wie armselig das ist. Aus Angst vor seelischen Tiefschlägen werden prophylaktisch alle potenziellen Höhepunkte wegkastriert.

Einmal stellte mir eine Frau ihren neuen Freund so vor: „Das ist Günter. Günter ist meine Beziehung.“ Fassungslos sah ich zu Günter: In Günter war kein Protest. Er schien es für ganz normal zu halten, dass er als Beziehung etikettiert und zur Nuss gemacht wurde. Bekam Günter also nur, was er verdiente? Eine Beziehung zu einer Frau, die ihrerseits eine Beziehung zu Günter verdient hatte? Der Wunsch, fremdes Unglück als etwas Gerechtes zu betrachten, ist verständlich, aber dumm. Wie es keine gerechte Strafe gibt, gibt es keinen Sinn hinter dem Unglück.

Gleichwohl gibt es böse oder doch wenigstens blöde Absichten – deren Protagonisten man daran erkennt, dass sie das Grundgute schlechthin und die Rettung mindestens der Menschheit für sich reklamieren. Emanzipation und Feminismus schienen einmal aufzuschimmern als Hoffnung für Frauen und Männer, die von wahrer, wahrhaftiger Liebe träumen und deshalb die Warenverhältnisse zwischen Mann und Frau nicht als unumstößlich ansehen. Was die Alice-Schwarzer-Fraktion davon übrig ließ, ist ein Konsum- und Arrivierungsfeminismus, der das Diktum „Soldaten sind Mörder“ zu „Soldaten sind MörderInnen“ erweitert und es als Fortschritt feiert, wenn der Beruf des Henkers und der des ihn segnenden Papstes in gleicher Qualität auch von Frauen ausgeübt wird.

Sex/Gender-Debatten mögen einige Akademikerinnen ernähren; zu diesem einzigen Zweck wurden sie schließlich ersonnen. Sie fügen der Welt jedoch weder Wahrheit noch Schönheit zu. Was sich im feministischen Restmilieu abspielt, ist bloße Folklore. Der Wunsch, über korrekt gemeinte scheußliche Wörter Welt und Weltbewusstsein zu ändern, nervt – und scheitert. Das schöne Wort dagegen setzt sich durch. Eine Bremer Freundin, die mich im Auto mitnahm, fragte mich freundlich: „Soll ich dir das Mösenstövchen anmachen?“ Mösenstövchen? Ich sah sie verständnislos an. Sie lachte: „Na, die Sitzheizung.“

Alice Schwarzer ist nur ein anderer Name für Bundesverdienstkreuz. Aber Mösenstövchen bleibt.