Zweierlei Maß gegen den Terror

Bei der Jahrestagung der UNO-Menschenrechtskommission hütet man sich vor Kritik an den USA. EU will Russland wegen seiner Politik in Tschetschenien anklagen

GENF taz ■ Die scharfe Verurteilung der Terroranschläge von Madrid, verbunden mit der Ermahnung an die spanische Regierung, bei der Verfolgung der Täter einen kühlen Kopf zu bewahren und rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten: dieser Tenor wird voraussichtlich sämtliche Reden bei der Eröffnung der 60. Jahrestagung der UNO-Menschenrechtskommission (MRK) bestimmen. Heute wird Außenminister Joschka Fischer das Wort ergreifen, bis zum 23. April folgen die AußenministerInnen der übrigen 52 Mitgliedstaaten. Doch im Verlauf der Tagung dürfte sich die MRK über die Themen Terrorismus und seine Bekämpfung noch mehr zerstreiten als in den beiden Vorjahren.

Diplomaten aus den EU-Staaten, die den jüngsten Krieg im Irak ablehnten, beschreiben den „tiefen Konflikt über diese Intervention“ als „überwunden“. Jetzt stehe „das Bemühen um Konsens auf der Tagesordnung“. Dieses Bemühen geht so weit, dass die EU-Staaten die Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Genfer Konventionen, derer sich die USA seit mehr als zwei Jahren mit der Behandlung ihrer und 600 Gefangenen in Guantánamo schuldig machen, nicht einmal zur Sprache bringen werden. Für dieses Thema sei das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zuständig, und das IKRK habe die Menschenrechtskommission „nicht ersucht, in der Guantánamo-Frage aktiv zu werden“, rechtfertigt der Botschafter eines führenden EU-Landes diese Zurückhaltung. Menschenrechtsorganisationen haben das als „Feigheit“ und „Verrat an den menschenrechtlichen Prinzipien“ kritisiert.

Allerdings will die Europäische Union einen Resolutionsentwurf einbringen, in dem die russischen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien kritisiert werden. Deutschland, dessen Regierungschef Gerhard Schröder seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Jahre 2002 noch volles Verständnis für die „Terrorismusbekämpfung“ in Tschetschenien signalisiert hatte, sei bei den internen EU-Beratungen am „unerbittlichsten“ für einen solchen Resolutionsentwurf aufgetreten, berichten Diplomaten. Ob der Entwurf durchkommt, ist völlig offen.

Die USA haben wiederum ihren entschiedenen Widerstand gegen den Versuch Mexikos angekündigt, einen UN-Mechanismus zur Wahrung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung zu etablieren. „Die USA wollen freie Hand haben, da stören internationale Abkommen nur“, kommentierte amnesty-internationaI-Generalsekretärin Irene Khan. Schon vor einem Jahr hatte der langjährige Leiter der deutschen Delegation, Exbundesinnenminister Gerhart Baum festgestellt, die Kommission befinde sich „in der schwersten Krise seit ihrer Gründung“. Zu ähnlichen Einschätzungen waren ai, Human Rights Watch, Reporter ohne Grenzen und andere internationale Menschenrechtsorganisationen gelangt. Bislang gibt es keine Anzeichen für eine Überwindung dieser Krise. ANDREAS ZUMACH