Ist Deutschland …

Wie hat die Agenda 2010 das Land verändert? Die Bilanz der rot-grünen Reformen. Acht Gastbeiträge. Fortsetzung von der vorhergehenden Seite

VON BORIS LAZAR

Wirtschaftspolitische Veränderungen infolge der Globalisierung, zunehmende Alterung der Gesellschaft und europäische Integration wirken fast überall in Europa, auch in Prag, und erfordern Reformkonsequenzen. Dass zusätzlich die Wirtschaftstransformation in der Tschechischen Republik noch heute Kosten verursacht, wie in Deutschland die Wiedervereinigung, wissen wir. Nur im scharfen internationalen Wettbewerb fragt uns heute niemand danach, ob das den Deutschen in Ost und West oder den Tschechen heute noch Kopfschmerzen bereitet. Von niemandem sind unsere „Altlasten“ zu finanzieren. Die Reformen sind notwendig, weil man mit Hoffnungen von gestern nicht weiterkommt.

Sicher, die Ausgangslage für Reformen ist unterschiedlich. Es hat sich inzwischen in der Tschechischen Republik als Illusion erwiesen, dass die Lösung des Problems das Wirtschaftswachstum ist. Nicht einmal drei Prozent Wachstum im Durchschnitt kann alle Haushaltslücken schließen oder gar signifikant Beschäftigung beflügeln. Debatten über Lasten und Nutzen der Reform führen wir auch, wobei Lohnnebenkosten und Steuersenkung längst auch Thema sind. In Tschechien konnte man in der Vergangenheit als zusätzliche Quelle für Restrukturierung und auch Abfedern der sozialen Folgen des Übergangs zur Marktwirtschaft die Privatisierungserlöse nutzten. Sich mit der Erkenntnis abzufinden, dass es in Zukunft kein Einnahmeposten im Haushalt sein wird, ist genauso schwierig wie die Regel, dass Sicherung der Rente nicht ohne Anhebung des Renteneintrittsalters möglich ist. Letztendlich sind die Reformen auch wichtig für die tschechische Übernahme des Euro.

Was ist zu tun? Die Agenda 2010 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Tschechische Republik kann aus der positiven Reformentwicklung in Deutschland eindeutig profitieren. Unsere Volkswirtschaften sind heute so tief greifend verflochten, dass man sagen kann: Wenn es den Deutschen wieder besser geht, freuen sich auch ihre Nachbarn. Nicht des lieben Geldes wegen.

Boris Lazar ist tschechischer Botschafter in Berlin