Staatskrise in Georgien

Reformpräsident Saakaschwili wird in die Machtprobe mit prorussischen Provinzfürsten gedrängt. Testfall: Adscharien an der türkischen Grenze

AUS MOSKAUKLAUS-HELGE DONATH

Georgiens Regierung von Präsident Michail Saakaschwili steuert auf eine Konfrontation mit der autonomen Republik Adscharien unter ihrem Potentaten Aslan Abaschide zu. Nach Ablauf eines Ultimatums in der Nacht zu Dienstag ließ Georgiens Regierung gestern den Luftraum über das kleine Territorium am Schwarzen Meer an der Grenze zur Türkei sperren und die Hafenzufahrt der adscharischen Hauptstadt Batumi von Marineeinheiten abriegeln. Gleichzeitig wurden die Konten der adscharischen Behörden in georgischen Banken eingefroren.

Am Sonntag hatten Adschariens Sicherheitskräfte Saakaschwili aufgehalten, als dieser nach Batumi reisen wollte, um Anhänger seiner Partei zu treffen. Am 28. März finden in Georgien Parlamentswahlen statt, die den Machtwechsel vom November vollenden sollen. Der adscharische Herrscher Abaschidse duldet aber in seinem Scheichtum keine andere politische Organisation als seine Hauspartei „Wiedergeburt“. So wurden Mitglieder der Partei Saakaschwilis dort in den letzten Wochen mehrfach überfallen und zusammengeschlagen.

Abaschidse behauptet, der georgische Präsident sei mit Sondereinheiten angereist, um die Lage in der Teilrepublik zu destabilisieren. Saakaschwili zog am Sonntag unverrichteter Dinge ab. Nach eigenem Bekunden wollte er ein Blutvergießen verhindern, da Einheiten Abaschidses an der Grenze Stellung bezogen hätten.

Adscharien ist neben Abchasien und Südossetien eine der autonomen Teilrepubliken Georgiens, die das unabhängige Georgien unter Eduard Schewardnadse nach dem Zerfall der Sowjetunion nie unter Kontrolle bekam und deren Herrscher von Russland gestützt wurden, um die georgische Zentralregierung zu schwächen. So wirft Tiflis dem adscharischen Provinzfürsten vor, Unsummen an Steuergeldern dem zentralen Haushalt vorenthalten zu haben. Sarpi, Georgiens einziger Grenzübergang zur Türkei, liegt auf adscharischem Gebiet, auf dessen Einnahmen die Zentrale einen Zugriff hat. Überdies kursieren Gerüchte, dass der Abaschidse-Clan am Schmuggel mit Rauschgift aus der Türkei beteiligt sein soll.

Vor der Präsidentschaftswahl vom Januar hatte Saakaschwili angekündigt, das zersplitterte georgische Staatswesen zu einen. Seine Fahrt nach Batumi war somit kein Zufall, die Konfrontation war einkalkuliert. Je entschlossener der 36-jährige Präsident vorgeht, desto mehr Zuspruch dürfte seine Partei bei den Parlamentswahlen erhalten.

Gegen Adscharien vorzugehen, birgt für den georgischen Präsidenten weniger Risiken als eine Konfrontation mit den separatistischen Republiken Abchasien oder Südossetien. Dort wachen russische Truppen über die Interessen Moskaus. Auch in Adscharien steht noch die 108. motorisierte Brigade der russischen Armee. Moskau weigert sich trotz internationaler Abkommen, seine Truppen aus Georgien abzuziehen. Mit diesem Faustpfand pokert der adscharische Potentat.

Das russische Außenministerium warnte Tiflis denn auch: Sollte Saakaschwili Gewalt anwenden, trüge Georgien allein die Verantwortung. Wofür, blieb offen. Etwa eine Intervention Moskaus aufseiten Abaschidses? Klar ist, der Kreml will Saakaschwili einschüchtern.