Ein Akt der Wiedergutmachung

Eine Bewahrerin: Hamburgs neue Kultursenatorin Karin von Welck soll Ruhe an der Kulturbürgerfront schaffen

Bis zuletzt hat sie sich geweigert, die Gerüchte zu bestätigen, doch nun hilft ihr kein Dementieren mehr. Karin von Welck, bislang Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, wird neue Kultursenatorin in Hamburg. Am Montagabend wurde sie von Bürgermeister Ole von Beust offiziell in den Senat der Hansestadt berufen.

Die 56 Jahre alte promovierte Ethnologin tritt damit ein Amt an, das in den letzten zweieinhalb Jahren arg an Ansehen verloren hat. Was immer Ole von Beust damals geritten haben mag: Als seine Wahl nach peinlich zäher Kandidatensuche schließlich ausgerechnet auf die Ex-Bild-Redakteurin Dana Horáková gefallen war, dauerte es wohl nicht lange, bis er seine Entscheidung bitter bereute. Horáková gelang es innerhalb kürzester Zeit, nach außen den Eindruck zu vermitteln, die Kultur in Hamburg allgemein der Lächerlichkeit preisgeben zu wollen.

Wobei man der Gerechtigkeit halber erwähnen sollte, dass die wackere Bild-Frau bei ihrem Vorhaben nicht nur in der Schill-Partei, sondern auch in der Hamburger CDU auf kongeniale Partner bauen konnte. So erklärte eine ganze Reihe von Führungskräften stolz, noch nie bei Tom Stromberg im Schauspielhaus gewesen zu sein. Und auch zu anderen Gelegenheiten, etwa der 30 Millionen Euro teuren Akquise der unter Spöttern als „lediglich siebtklassig“ eingestuften Schiffe- und Marineuniform-Sammlung des ehemaligen Springer-Vorsitzenden Peter Tamm, waren die Senatskollegen zu den nötigen Handreichungen offenbar gerne bereit.

Jetzt aber soll alles besser werden: Mit Karin von Welck steht dem Bürgermeister eine Fachfrau zur Seite, der der Ruf vorausgeht, geschickt und effizient zu agieren und dabei nicht den Blick für die Bedürfnisse des Publikums zu verlieren. Welck ist eine erklärte Vertreterin der bürgerlichen Kultur, und als solche darf man ihre Ernennung zur Senatorin in erster Linie als einen Akt der Wiedergutmachung an der CDU-Wählerschaft verstehen. „Untersuchungen zum so genannten Konservatismus der Pueblo-Indianer in Arizona und Neu-Mexiko“ lautete der Titel der Doktorarbeit, die sie einst an der Universität Köln einreichte. Man muss darin nur einige wenige Worte austauschen, um ihre aktuelle Programmatik zu umreißen. Ihr Terrain ist das Gediegene, allseits Anerkannte, und verglichen mit den eher schlichten Ansichten von Dana Horáková wäre das schon ein Fortschritt – was in dem Fall allerdings auch nicht viel zu bedeuten hat.

Bevor Karin von Welck als Leiterin der Kulturstiftung der Länder bedrohte Kulturgüter durch Erwerbung sichern half, hat sie in verschiedenen ethnologischen Museen gearbeitet, darunter acht Jahre lang als Direktorin des Reiss-Museums der Stadt Mannheim. Hamburg kennt die gebürtige Rheinländerin nicht nur aus der Zeit ihres Studiums, als sie für drei Semester in der Stadt lebte. Erst vor kurzem hat sie sich um die hiesige Hochkultur verdient gemacht, indem sie substanzielle Teile des Nachlasses des Hamburger Romantikers Philipp Otto Runge kaufte.

Verhandlungsgeschick wird sie auch in Zukunft gut gebrauchen können. Mit zwei Prozent vom Gesamthaushalt gibt Hamburg fast ein Drittel weniger Geld für kulturelle Angelegenheiten aus als Städte wie Berlin oder München. Die als Stiftungen in die Eigenständigkeit entlassenen Hamburger Museen schieben eine stetig wachsende „Liquiditätslücke“ vor sich her und stehen kurz vor der Insolvenz, und auch sonst sind die Erwartungen an die heilerischen Qualitäten der neuen Senatorin groß. Die schwerste Aufgabe für Karin von Welck wird aber sein: zu beweisen, dass ihre Berufung mehr war als nur ein geschickter Schachzug des Bürgermeisters zur allseits gefälligen Befriedung der eigenen Klientel.

ULRICH CLEWING