Kölner nehmen Kultur persönlich

Kurz vor Abgabe der Kölner Bewerbungsschrift zur Kulturhauptstadt Europa 2010 gehen Kritiker in die Offensive. Die einen unterstützen die Konkurrenz aus Münster, die anderen fordern mehr Beteiligung

VON JÜRGEN SCHÖN

Vor der Höhle des Löwen, dem Kölner Rathaus, warb gestern die Initiative „Köln für Münster“ für ihr Ziel: Sie will, dass die Stadt der Wiedertäufer Kulturhauptstadt Europas 2010 wird und nicht Köln. Zu den „Renegaten“ gehören inzwischen unter anderem Günter Wallraff, Gerd Köster und der Kabarettist Wilfried Schmickler. Sie protestieren damit gegen die „Dilettanten“ in der Kölner Kulturpolitik, die Sparmaßnahmen in der Kultur und die Politik der „harten Hand gegen straffällige Kinder“.

Eine andere Opposition gegen die Bewerbung Kölns für den Titel Kulturhauptstadt hatte sich am Dienstag in der Alten Feuerwache versammelt. Sie unterstützt die Bewerbung Kölns, kritisiert aber das bisherige Verfahren als „undemokratisch“ und „nicht transparent“. Vor allem vermisst sie die breite Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Und die haben schon einige Ideen abgeliefert, mit denen sich Köln von der Konkurrenz abheben kann. So könnte man bei Kulturveranstaltungen immer Freikarten für sozial benachteiligte Menschen reservieren, ausländische Gäste nach Hause einladen – oder auch einen „kölschen Islam“ entwickeln. Gesammelt hat die Ideen ein Team um Regisseur und Kulturmanager Gregor Leschig. Für ihn war diese Befragung ein Beispiel für „Bürgerpartizipation“ – doch bei der Stadt sei das nicht erwünscht gewesen.

Knapp 50 Interessierte waren gekommen, um Leschigs „Vorschläge zur Erhöhung der Attraktivität der Kölner Bewerbung“ anzuhören. Politiker und Offizielle zeigten kein Interesse am Thema Bürgerbeteiligung – bis auf die grünen Ratsmitglieder Angela Spizig und Peter Sörries sowie Edith Müller, grüne Vizepräsidentin im Landtag und Mitglied im Kompetenzteam, das den Bewerbungskoordinator Franz-Xaver Ohnesorg berät. Sie kritisierten die „Geschäftsstelle Kulturhauptstadt“ im Kulturamt. „Dort muss man noch einiges lernen“, meinte Spizig. Der Kritik am bisherigen Verfahren stimmte das grüne Trio im Wesentlichen zu.

Mobilisierung der Bürger

Unter dem Titel „Schreiben Sie Ihre persönliche Bewerbung!“ hatte Leschig acht Fragen gestellt, etwa: Was müsste bis 2010 geschaffen werden, damit Köln zu Recht Kulturhauptstadt ist? Oder: Wenn Köln Kulturhauptstadt wird, wie möchten Sie sich selbst beteiligen? 75 Bekannte und Freunde hatte er per E-Mail gefragt. Das Ergebnis sei also keineswegs repräsentativ, gibt er zu. Aber: Je mehr noch bei der Umfrage mitmachten (unter www.gregorleschig.de), um so mehr und bessere Ideen kämen dabei heraus. Der Politologe Hans-Georg Lützenkirchen hatte die bislang vorliegenden Antworten ausgewertet und festgestellt: „Sie haben eine hohe soziale Komponente und wollen die Kulturhauptstadt für breite Bevölkerungsschichten öffnen.“

Sein Fazit: Dies entspricht den Bewerbungsbedingungen der EU. Dort heißt es unter anderem: „Mobilisieren und Beteiligen breiter Bevölkerungsschichten an dem Projekt und damit Gewährleistung der sozialen Wirkung der Aktion und ihrer Kontinuität über das Jahr der Veranstaltung hinaus“. Der bisherige Bewerbungstext gehe darauf aber kaum ein, so Lützenkirchen. Dabei sei es wichtig, durch diesen breit gefassten Prozess zu klären, was überhaupt Kultur sei.

Wie es konkret weiter gehen soll, war allerdings unklar. Leschig, der die Bewerbung Kölns prinzipiell unterstützt, will auf jeden Fall weitermachen. Zunächst müssten die acht Fragen in einer Kampagne öffentlich gemacht werden. Wie und von wem sie ausgewertet würden, hänge etwa davon ab, ob er einen Partner finde – eventuell die Stadt. Offene Treffs in den Bürgerzentren könnten als Anlaufstellen dienen.

Noch nicht zu spät

„Bleiben Sie hartnäckig“, ermunterte ihn Bürgermeisterin Spizig und versprach ihm grüne Unterstützung. Zu spät sei es noch nicht. Zwar werde die Bewerbung am 31. März abgegeben, aber bis zur Entscheidung auf Landesebene könne man noch Punkte sammeln. Widerspruch erntete allerdings Müller mit ihrer Mahnung, man solle seine Visionen nicht zu öffentlich handeln – die Konkurrenz höre mit. „Im Gegenteil“, so Leschig, „gerade durch Offenheit kann man sich abheben. Dann ist auch klar, wer welche Ideen klaut.“

Mit der Initiative „Freiheit der Kultur – Kunst der Freiheit“ meldet sich jetzt auch der DGB Köln zu Wort. Er kritisiert ebenfalls die fehlende Bürgerpartizipation, sieht die Bewerbung aber als Chance, die bisherige Sparpolitik in Sachen Kultur zu revidieren und ein neues Selbstbild der „Kulturstadt Köln“ zu finden.

www.gregorleschig.de www.dgb-region-koeln.de www.kulturnetz-koeln.de