Freude unter Vorbehalt

„Bitte, bitte, irgendwas muss sich verändern“: Wie die Kulturszene in Madrid auf den Wahlsieg der PSOE reagiert

Die Künstler hoffen, dass die neue Regierung Kultur und nicht Folklore fördert

Pedro Almodóvar freut sich über den Wahlsieg der Sozialisten: „Wir sind aus acht Jahren bleierner Müdigkeit aufgewacht“, sagte der Filmemacher, als er am Dienstagabend seinen neuen Film „La mala educación“ („Die schlechte Erziehung“) vorstellte, der ab heute in den Kinos läuft. Almodóvar war die gute Seele der Künstlerinitiative „No a la guerra“; kaum einer engagierte sich so sehr dagegen, dass der Einmarsch im Irak von spanischer Seite Unterstützung erhielt. Auf dem größten Friedensmarsch durch Madrid, an dem über 1,5 Millionen Menschen teilnahmen, verlas der zweifache Oscar-Preisträger das Abschlusskommuniqué.

Viele aus Kino und Musik taten es Almodóvar gleich. Auf dem zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid sammelten sie Unterschriften gegen die Politik der Regierung von José María Aznar und verkauften T-Shirts und Anstecker. Obwohl der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero überraschend die Wahlen gewonnen hat, macht sich nur zögerlich Freudenstimmung breit. „Ein Wechsel an der Regierung war überfällig. Aber es ist traurig, dass das so mancher erst nach einem so schrecklichen Blutbad gesehen hat“, sagt die Flamenco-Sängerin Carmen Linares. „Es ist furchtbar, dass so viel Blut fließen muss, damit die Menschen aufwachen“, findet auch Rosendo, der Begründer des spanischen Hardrocks. „Ich kann nur hoffen, dass wir daraus gelernt haben. Ganz besonders diejenigen, die Verantwortung tragen“, fügt er hinzu.

Vor allem die Filmemacher ließen im Wahlkampf nichts unversucht, um Aznar und seine konservative Volkspartei (PP) anzugreifen. Unter dem Motto „Hay motivo“ – „Es gibt Gründe“ – drehten 32 Regisseure jeweils einen dreiminütigen Kurzfilm. Keiner der großen Fernsehsender wollte sie ausstrahlen. Deshalb sind sie im Internet (www. haymotivo.com) zu sehen. „Ich glaubte schon, dass wir dafür nach den Wahlen ins Exil gehen müssen“, sagt einer der 32, Vicente Aranda, der sich außerhalb Spaniens mit Filmen wie „Amantes“, „Intruso“, oder „Im Sog der Leidenschaft“ einen Namen gemacht hat. Er hofft, „dass die Sozialisten aus den Fehlern der PP gelernt haben“.

Die Künstler wissen, was sie sich von Zapateros PSOE erwarten. Neben dem sofortigen Truppenabzug aus dem Irak, den der frisch gewählte Sozialist bereits versprochen hat, hoffen sie, dass künftig die Kultur wieder mehr gefördert wird. „Ich bin optimistisch, ich glaube, dass die Sozialisten die Filmemacher mehr unterstützen“, erklärt der Regisseur Carlos Saura, der unter anderem „Carmen“, „Flamenco“, „Die Jagd“ und „Bluthochzeit“ gedreht hat. „Die Linke hat immer mehr Gefühl für die Kultur gehabt und versteht sie als Gemeingut der Gesellschaft“, sagt auch der Altrocker Miguel Ríos. In den acht Jahren konservativer Regierung wurde Kultur klein geschrieben. Wenn überhaupt, wurden „das Spanien der Pandareta und Castañuelas“ sowie Kirchliches gefördert.

Manch einer hat ganz konkrete Wünsche. So möchte der Fernsehmacher Gran Wyoming „ein Gesetz, das verhindert, dass das öffentliche Fernsehen der regierenden Partei unterstellt ist“. Gran Wyoming weiß, wovon er spricht. Der Leiter satirischer Programme fand zuletzt nur noch in Privatsendern Arbeit. Fernando Trueba, der 1992 für „Belle Epoque“ den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film erhielt, schließt sich Wyoming an. Er erinnert Zapatero daran, dass seine sozialistische PSOE nicht ganz unschuldig am traurigen Zustand des Fernsehens ist: „Es war ein großer Fehler der Sozialisten, in ihrer zwölfjährigen Regierungszeit das öffentliche Fernsehen nicht der Kontrolle der Regierung zu entziehen und einer breiten gesellschaftlichen Instanz zu unterstellen. Die PP nutzte diesen Fehler aus und führte die Kontrolle ins Extrem.“

„Bitte, bitte, irgendwas muss sich verändern“, fleht Rock 'n' Roller Loquillo, der seit zehn Jahren zum ersten Mal wieder gewählt hat, Zapatero an. Stellvertretend für viele formuliert er die Lehre aus der arroganten Machtausübung Aznars: „Spanien ist ohne Respekt vor seiner Vielfalt nicht machbar.“

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