Wohlfühl-AG für Kölner Familien

Neues Kölner „Bündnis für Familien“ soll eine kinderfreundliche Mentalität in der Stadt schaffen und Eltern helfen, Familie und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Noch sind die Defizite enorm

Von Susanne Gannott

Die Vision im Leitbild „Köln 2020“ ist deutlich: „Köln wird nachhaltig in eine familien-, kinder- und jugendfreundliche Stadt investieren.“ Noch allerdings machen große Mängel bei der Kinderbetreuung es den KölnerInnen nicht gerade einfach, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das soll sich ändern, verspricht Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der gestern im Beisein der Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) den offiziellen Startschuss für das Kölner „Bündnis für Familien“ gab.

Warum solche Bündnisse gerade überall im Land aus dem Boden schießen, hatte Schmidt am Mittwoch Abend bei einem „Expertengespräch“ der Kölner SPD zum Thema Familienpolitik erklärt. „Deutschland hat letztes Jahr die ‚rote Laterne‘ der niedrigsten Geburtenrate in Europa von Italien übernommen“, so Schmidt. Diese Entwicklung bedrohe schon jetzt die soziale und wirtschaftliche Entwicklung im Land. Den Grund dafür sieht Schmidt zum einen in einer wenig familienfreundlichen Mentalität, die „Kinderlärm mehr stört als Verkehrslärm“. Vor allem aber, so Schmidt, müsste Müttern und Vätern das Berufsleben leichter gemacht werden.

Betriebskindergärten

Hier müsse auch das Kölner Bündnis ansetzen, in dem neben der Stadt die Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer, DGB, die Kirchen und die Liga der Wohlfahrtsverbände vertreten sind, forderte der städtische Familienbeauftragte Peter Hoffstadt beim Expertengespräch. So könne die Stadt bislang nur für rund 8 Prozent der unter dreijährigen Kinder eine Betreuung anbieten. Um das auszubauen, brauche die Stadt allerdings finanzielle Unterstützung vom Bund. „Aber das ist wichtig, sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit“, sagte Hoffstadt. Auch die SPD-Ratsfrau Cornelia Schmerbach sieht im Ausbau der Betreuung für alle Altersstufen die wichtigste Aufgabe der Stadt im Rahmen des Bündnisses. Von Seiten der Betriebe erhoffe sie sich ebenfalls mehr Familienfreundlichkeit, erklärte sie der taz: So könnte sich die IHK bei ihren Mitgliedern für mehr Betriebskindergärten und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit einsetzen.

Tatsächlich ist in dieser Hinsicht in Kölner Betrieben „noch nicht allzu viel los“, meint Barbara Locher-Otto. Die Bundesvorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter ist Geschäftsführerin der Kölner Firma Virtuell Consult, die im Auftrag der gemeinnützigen Hertie-Stiftung ein Firmenaudit für Familienfreundlichkeit in Betrieben durchführt. Aus Köln habe bislang allerdings nur die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt ein Zertifikat für Familienfreundlichkeit erhalten, sagt Locher-Otto. Die Stadtsparkasse Köln habe ihr Audit gerade abgeschlossen und werde im Sommer zertifiziert. „Aber auch einige andere Kölner Firmen haben daran Interesse“. Vom Kölner Bündnis erhofft sich Locher-Otto, dass es konkrete Projekte wie das Audit voran bringt. So könnte das Bündnis zum Beispiel Firmen motivieren, einen betriebsübergreifenden Notfallkindergarten einzurichten.

Flexible Arbeitszeiten

Das Vorbild dazu liefert Ford, dessen Notfallkindergarten im letzten Jahr 3.500 Mal von den Mitarbeitern in Anspruch genommen worden sei, weil die normale Betreuungsmöglichkeit kurzfristig ausgefallen waren, so Familienbeauftragter Hoffstadt.

Darüber hinaus weiß weder der Familienbeauftragte, noch die IHK, noch der DGB, wie viele Betriebskindergärten es in Köln gibt. „Das erst einmal zu ermitteln, wird eine der Aufgaben des Bündnisses sein“, sagt Hoffstadt. Auch der Hauptgeschäftsführer der IHK Herbert Ferger gibt zu, dass es für Köln bislang kaum Erkenntnisse über familienfreundliche Praktiken in Betrieben gibt. „Konkret geht das jetzt mit dem Bündnis los“, hofft er. Man wolle „Best practice“-Erfahrungen der Betriebe sammeln und interessierte Firmen ermutigen, zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeiten ihren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Denn letztlich, soviel weiß er immerhin, „kann dies den Firmen positive Kosten-Nutzen-Rechungen bringen“. Auch Locher-Otto hofft, dass die Wirtschaft zukünftig mehr familienpolitisches Engagement zeigt. Schließlich profitierten alle davon, „wenn die Stadt lebendig bleibt“ – und dazu braucht‘s Kinder.