schmerzmathematik zum schutz von tieren
: Holocaust lässt sich nicht verrechnen

Die Tierrechtsorganisation Peta verglich Massentierhaltung mit dem Holocaust – und die Empörungsgesellschaft blieb merkwürdig lange still. Jetzt hat der Zentralrat der Juden die Kampagne stoppen lassen. Endlich

Als der Architekt des Holocaust-Mahnmals in Berlin, Peter Eisenman, den Degussa-Witz seines Zahnarztes erzählte, schrie die Öffentlichkeit auf. Politiker hatten etwas dazu zu sagen, die Worte „Antisemitismus“ und „Holocaust“ gingen wieder einmal von Mündern zu Ohren. Im Büro des Zentralrats der Juden wird hinter vorgehaltener Hand über Arbeitsüberlastung geklagt. Zu allem wolle die deutsche Öffentlichkeit eine Stellungnahme. Darüber, dass die Tierrechtsorganisation Peta mit ihrer aktuellen Kampagne Tiere in Massenhaltung mit Kindern im KZ vergleicht, hörte man zu lange nichts. Trotz Zeitungsberichten blieb die deutsche Empörungsgesellschaft still.

Zu viele glauben zu verstehen, was Peta macht. Die Tierschützer, so meinen sie, haben den gemeinsamen Nenner hinter Holocaust und Massentierhaltung entdeckt: fabrikmäßigen Schmerz und Tod. Währenddessen schlagen die Gegner der Kampagne mit dem Holocaust-Hammer um sich, mit dem sich noch jede Debatte beenden ließ. Verstecken sich feige hinter einem Tabu. Deshalb sagen intelligente Menschen wie der Rapper Thomas D., die Plakate seien noch viel zu sanft. Und sie haben in einem Recht: Menschen lassen Tiere unnötig schlimmste Qualen leiden. Das ist einer zivilisierten Welt nicht würdig. Doch die Peta-Kampagne zeigte dies nicht.

Die Bilder erzählen eine Geschichte, die es so nie gab. Die Gerippe der Schweine neben den Gerippen von Häftlingen. Beide schmerzen – es fühlt sich so vergleichbar an. Doch Holocaust und Massentierhaltung sind zwei Dinge. Zwei schreckliche, aber zwei verschiedene. Selbstverständlich kann Peta Holocaust-Überlebende vorweisen, die eigenes Leid mit dem von Tieren vergleichen. Die Organisation hat lange Jahre Medienerfahrung. Doch das ändert nichts an der Unseligkeit des Vergleichs. Nach dem 11. September vertraten viele Deutsche die Meinung, die Amerikaner hätte es so schlimm nicht getroffen. Und zählten auf: Korea, Vietnam und erster Irakkrieg. Attentat auf das World Trade Center minus drei Kriege, was wundern sich die Amerikaner? Über die Folgen der US-Außenpolitik lässt sich natürlich diskutieren. Miteinander vergleichen und verrechnen lässt es sich nicht.

Damit wird etwas subtrahiert und addiert, was sich den Kategorien der Mathematik entzieht. Der große Protest blieb deshalb aus, weil es sich zu viele angewöhnt haben, Vergleiche wie Peta zu ziehen und Schmerzensmathematik zu betreiben.

DANIEL SCHULZ