Clarke wirft auch Rice Versagen vor

Der frühere Antiterrorexperte bekräftigt unter Eid seine Kritik an der Bush-Administration und an deren Sicherheitsberaterin. Nach zwei Tagen machen die Anhörungen zum 11. September deutlich, was die US-Behörden hätten besser machen können

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Es war der Höhepunkt der Anhörungen vor der unabhängigen Untersuchungskommission zu den Terroranschlägen vom 11. September und ein Tiefschlag für den selbst ernannten „Kriegspräsidenten“ George W. Bush: der Auftritt von Richard Clarke, Antiterrorberater dreier US-Regierungen von Bush senior bis junior.

Unter Eid wiederholte er seine Vorwürfe gegen die Sicherheitspolitik von George W. Bush und stellte dessen Regierung ein schlechtes Zeugnis bei der Bekämpfung des Terrorismus aus.

Im Gegensatz zu Vorgänger Bill Clinton, der von der Jagd auf Ussama Bin Laden wie „besessen“ gewesen sei, habe Bush dem Kampf gegen al-Qaida keine oberste Priorität eingeräumt. „Ich glaube, die Bush-Regierung hat den Terrorismus in ihren ersten acht Monaten als wichtige, nicht aber dringliche Angelegenheit betrachtet“, sagte er.

Clarke griff vor allem Bushs nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, seine damalige Chefin, scharf an und warf ihr persönlich Versagen beim Einsatz gegen al-Qaida vor. Rice habe es angesichts fast täglicher Terrorwarnungen im Sommer 2001 versäumt, die Abwehr mit den zuständigen US-Behörden zu koordinieren. So hätte vielleicht entdeckt werden können, dass zwei der späteren Flugzeugattentäter bereits ein Jahr zuvor in die USA eingereist waren. Die Information über den Aufenthalt der beiden Araber war laut Clarke beim FBI vorhanden.

Das Weiße Haus wehrte sich gegen Clarkes Kritik, indem man ihm vorwarf, früher Gegenteiliges behauptet zu haben. Äußerungen aus einem Hintergrundgespräch mit Journalisten vom August 2002 würden den aktuellen Darstellungen Clarkes widersprechen, sagte der Sprecher des Präsidialamts, das zuvor Clarke als denjenigen enttarnte, der damals nur als anonymer „hoher Regierungsbeamter“ zitiert werden durfte. Clarke lobte in jenem Gespräch die Antiterrorpolitik der Bush-Regierung. Heute sagt er, er habe sich versucht loyal zu verhalten, so wie es „jeder Mitarbeiter jeder US-Regierung getan hätte“.

Rice selbst sah sich zu einem seltenen Live-Interview gezwungen, um die Vorwürfe gegen sie zu entkräften. Doch ihre im Licht der Anschuldigungen unverständliche Weigerung, vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen, hat ihr Ansehen in der US-Öffentlichkeit beschädigt. Rice ist nach Auffassung von US-Medien Symbol für die Unfähigkeit oder den Unwillen der 2001 ins Amt gekommenen Bush-Regierung, die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus zu verstehen.

Die Russlandspezialistin, vertraut mit den Mechanismen des Kalten Krieges, widmete ihr Augenmerk vor allem der Konfrontation mit ambitionierten Regionalmächten wie China und dem Ausbau der geopolitischen Vormachtstellung der USA. Der Irak tauchte daher nach dem 11. September sofort auf ihrem Radarschirm auf – ein schwer wiegender strategischer Fehler, wie Clarke nicht müde wird zu betonen.