DAS GENTECHNIKGESETZ MUSS DRINGEND NACHGEBESSERT WERDEN
: Auch Gemeineigentum verpflichtet

Was stört Sie eigentlich an der Vision von Gentechpflanzen auf dem Acker? Die Furcht, ein Bauer könnte seine Ernte nicht mehr verkaufen, falls sie Gentechspuren aufweist? Oder dass sich genveränderte Pflanzen im Wald oder im Naturschutzgebiet „auskreuzen“, also unkontrolliert in die Natur gelangen könnten, ohne dass überprüfbar ist, wo sie herkommen und was sie dort anrichten?

Wenn Sie das Einkommen des Bauern interessiert, haben Sie Glück. Denn für diesen Fall hat das neue Gentechnikgesetz aus dem Hause der grünen Verbraucherschutzministerin Renate Künast umfangreich vorgesorgt: Der Bauer kann seine Nachbarn auf Schadenersatz verklagen.

Wenn Sie sich aber eher um die Artenvielfalt und den natürlichen Genpool sorgen, dann können Sie nicht mehr ruhig schlafen. Denn diese Art von Übertragung wird vom Gesetz nicht geregelt. Das Problem: Zwar sollen schädliche Einflüsse auf Natur und Gesundheit vermieden werden – aber was ein „Schaden“ in der Natur ist, wird nicht definiert. Die Regelung folgt der Logik des Eigentums: Wem etwas gehört, der hat ein Recht auf Schadenersatz, wenn es beeinträchtig wird. Wenn aber eine Sache niemandem oder allen gehört, darf jeder mit ihr machen, was er will. Wo kein Eigentümer, da kein Kläger.

Diese Regelung ist nicht nur unsozial – sie ist dumm. Denn Eigentümer schützen ihr Eigentum selbst – aber kaum jemand schützt, was ihm nicht gehört. Nur: Wenn wir die Atmosphäre, das Meer oder die genetische Vielfalt nicht schützen, schlägt das auch bald auf unser Eigentum zurück: Irgendwann wird die Luft dreckig, die Meere werden leer und die Wildpflanzen anders sein, als wir sie kennen. Deshalb geht die Debatte seit Jahren auch darum, wie diese Gemeingüter geschützt werden können – und ob etwa Naturschützer das Recht haben, gegen Umweltzerstörung zu klagen. Deshalb muss das Gentechnikgesetz dringend nachgebessert werden, auch wenn das Ärger mit der Union im Bundesrat einbringt. Die genetische Vielfalt sollte uns zumindest so viel wert sein wie der wirtschaftliche Erfolg eines Bauern. BERNHARD PÖTTER