GEGEN TATSÄCHLICHE GEFAHREN HILFT DIE NATO DEN OSTEUROPÄERN NICHT
: Gefühlte Sicherheit am Busen der USA

Es gibt sie, die „gefühlte“ Sehnsucht nach Sicherheit, im Gegensatz zu einem Sicherheitsbedürfnis, das einer realen Bedrohung entspräche. Dass Gefühle dieser Art zum Motor der Politik werden können, beweist das begeisterte Echo aus den Staaten des ehemaligen Herrschafts- oder Hegemonialbereichs der Sowjetunion, die am Montag der Nato beitraten. Dass vom heutigen Russland für diese Staaten keine militärische Bedrohung ausgehen wird, erweist sich gegenüber geschichtlich begründeten Ängsten als bedeutungslos.

Dummerweise ist die Nato in ihrer gegenwärtigen Verfassung überhaupt nicht in der Lage, das gefühlte Sicherheitsverlangen der neuen Mitglieder wenigstens auf der symbolischen Ebene zu befriedigen. Stattdessen sehen sie sich vom Präsidenten der USA anlässlich der feierlichen Aufnahme in die Nato für die amerikanische Irakpolitik in Dienst genommen. Dabei ist es genau diese Bush-Doktrin des „internationalen Kriegs gegen den Terror“, die in ihrem Supermachts-Chauvinismus, in der selbstherrlichen Bestimmung der Kriegsziele wie der Methoden des Kampfs die Maschen der Nato als Sicherheitsbündnis faktisch aufgelöst hat. Nicht Sicherheit wird den neuen Nato-Mitgliedern von den USA vermittelt, sondern die Konfrontation mit ständig neuen, von den USA ernannten Bösewichtern, ohne Chance, mal beiseite zu stehen, geschweige denn, eigene Interessen in Anschlag zu bringen.

Gegenüber diesem Szenario werden die nicht gefühlten, sondern höchst realen Sicherheitsprobleme liegen bleiben, die sich mit den heutigen russischen Streitkräften verbinden. Seit den 90er-Jahren wissen wir, dass die eigentlichen militärischen Gefährdungen nicht von den effizienten, sondern von den maroden Kriegswerkzeugen Russlands ausgehen. Längst sind die Zeiten vorbei, als einem noch das harmlose Spottlied „Wenn bei Capri die Rote Flotte im Meer versinkt“ über die Lippen kam. Von der atomar betriebenen russischen Schrottflotte wie von den versenkten Atomveteranen geht eine nur zu akute Drohung aus. Aber wie schwer wiegen ökologische Probleme angesichts der Wonne, sich am Busen der USA in Sicherheit zu wiegen? CHRISTIAN SEMLER