„Das transatlantische Verhältnis ist kaputt – aber reparabel“, sagt Ronald Asmus

Der Irakkrieg hat die USA und Europa auseinander getrieben. Aber der Terror lässt sich nur gemeinsam bekämpfen

taz: Herr Asmus, ist die transatlantische Allianz momentan in einer Krise?

Ronald Asmus: Ja, das transatlantische Verhältnis ist praktisch zusammengebrochen. Die Frage ist nun: Können wir es wieder aufbauen? Da gibt es zwei konträre Ansichten. Manche, wie etwa Robert Kagan, meinen, dass die Differenzen über den Irakkrieg eine tiefer liegende Entzweiung sichtbar gemacht haben und die USA und Europa wie zwei tektonische Platten auseinander treiben. Andere glauben, dass die Irakkrise ein Ergebnis diplomatischer Inkompetenz und politischer Fehler war, die man auch wieder beheben kann.

Und was meinen Sie?

Letzteres. Wir haben auch keine, wie Kagan glaubt, transatlantische „Kluft der Macht“, sondern eine „Kluft des Ziels“. In den Fünfzigern war die Machtdiskrepanz zwischen den USA und Europa viel größer, und trotzdem erlebten wir eine Glanzzeit der transatlantischen Kooperation. Damals gab es, was heute fehlt: eine gemeinsame Idee, gegen welche Gefahr die Allianz mit welcher Strategie vorgeht.

Nun haben viele Europäer nicht gerade den Eindruck, dass die Bush-Regierung vor dem Irakkrieg lange nach Alliierten gesucht hat.

Die herausragenden US-Präsidenten des 20. Jahrhunderts – Roosevelt, Truman, Kennedy – wussten, dass die USA ihre Macht einem weit gefassten Ziel unterordnen mussten, das ihre Alliierten verstanden. Das hat Bush nicht begriffen. Darum fürchtet sich die Welt heute vor einem zu mächtigen Amerika anstatt über einen mächtigen Alliierten dankbar zu sein. In diesem Punkt verdient unser Präsident eine schlechte Note. Ich hoffe sehr, dass John Kerry, falls er gewählt wird, zu dieser Tradition zurückkehrt.

Der Dissens zwischen Europäern und US-Amerikanern dreht sich auch um das Völkerrecht und die UNO. Für Europa sind diese als Legitimationsquellen wichtig, für die USA offenbar nicht …

Nein, das Bild ist differenzierter. In der Kosovokrise hatten wir internationale Legitimität, weil mehr als 50 demokratische europäische Alliierte und Partner dazu bereit waren, den Nato-Einsatz zu unterstützen, obwohl ein Land – Russland – dagegen war. Damals zeigten viele Umfrageergebnisse auch in Europa, dass in den Augen der Öffentlichkeit ein Nato-Mandat genau so viel Legitimität gewinnen kann wie ein UNO-Mandat.

Auch in den USA ist das Meinungsbild vielschichtiger. Die US-Öffentlichkeit ist nicht unilateralistisch. Jede Umfrage zeigt, dass US-Bürger sich Alliierte und Partner wünschen – ebenso eine wirksame UNO. Aber sie halten die UNO nicht unbedingt für die einzige Quelle internationaler Legitimität.

Und Sie?

Ich bin ein demokratischer Multilateralist und unterstütze die UNO. Aber ich kenne die Grenzen dieser Organisation nur zu gut. Glaube ich daran, dass die UNO mit all den Bedrohungen meines Landes fertig wird? Nein. Hätte sich irgendein europäischer Staatschef auf die UNO verlassen, als es darum ging, sich vor der sowjetischen Bedrohung zu schützen? Nein. Würde ein europäischer Führer heute die UNO übergehen, wenn seine Sicherheit davon abhängen würde? Ja. Also müssen unsere Konzepte von internationaler Legitimität der Ära, in der wir leben, angepasst werden.

Was heißt das für das transatlantische Verhältnis?

Die USA brauchen Partner. Deshalb wünschen wir uns ein starkes, kohärentes, effektives, nach außen orientiertes, atlantisches Europa. Das heutige Europa aber ist zu schwach, zu ineffektiv, zu inkohärent und zu sehr nach innen gerichtet. Wir US-Amerikaner müssen herausfinden, wie wir Europa helfen können, um ein selbstbewusster Partner zu werden, der mit den USA zusammenarbeiten will.

Da haben einige EU-Staaten aber etwas andere, eigenständigere Ideen. Paris und Berlin haben vor kurzem ein Thesenpapier über eine unabhängige Nahostpolitik veröffentlicht.

Es ist klar, dass wir auf beiden Seiten des Atlantiks Strategien für die Region suchen, auch um den Terror zu unterbinden. Aber das geht nur gemeinsam. Ein franko-deutscher Unilateralismus hilft dabei ebenso wenig wie ein amerikanischer Unilateralismus.

Wie ließe sich eine Veränderung der arabischen Staaten bewirken?

In meinen Augen müssen drei Sachen getan werden: Wir müssen die demokratischen Kräfte, die in diesen Ländern existieren, stärken. Sie sind unsere wahren Alliierten.

Zweitens müssen wir durch unsere Außenpolitik einen regionalen Kontext schaffen, der demokratische Veränderungen erleichtert. Dazu gehören: Die Türkei sollte im Westen verankert werden; der Irak und Afghanistan sollten demokratische Staaten werden; der israelisch-palästinensische Konflikt muss gelöst werden, und Iran muss davon abgehalten werden, sich Atomwaffen anzueignen.

Außerdem sollte nach dem Vorbild der OSZE eine neue regionale Organisation für den Nahen Osten gebildet werden. All das ist eine Herausforderung für Generationen.

Bedeutet das nicht, dass Sie Demokratie in eine kulturell sehr anders geprägte Region zwangsexportieren?

Ich glaube, wir reden hier von universellen, nicht von westlichen Werten. Außerdem gibt es dort einen Hunger nach Veränderung. INTERVIEW:

MONIKA JUNG-MOUNIB