Zweitfrau ohne Visum

Muslimische Flüchtlinge sollen nur ihre erste Gattin nach Deutschland nachholen, meinen Frauenpolitikerinnen

BERLIN taz ■ Eine Zweitfrau darf rechtlich nicht der Erstgattin gleichgestellt werden, findet Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen: „Nur die erste Frau sollte nachziehen dürfen, wenn ein Flüchtling Asyl erhält.“ Ina Lenke, Frauenpolitikerin der FDP, sieht das ähnlich: „Das ist kein Beitrag zur Integration.“

Der Hintergrund der Debatte: Am Montag entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dass auch die zweite Gattin eines anerkannten irakischen Flüchtlings Recht auf eine Aufenthaltsbefugnis hat. Das sei jedoch eine Ausnahme, betonten die Richter, die Frau könne sich nicht auf den staatlichen Schutz der Ehe berufen. Sie hätten lediglich in diesem Einzelfall zugunsten der Frau befunden, weil die Irakerin seit Jahren in Deutschland lebe. Sie war gemeinsam mit der Erstfrau 1999 illegal eingereist. Die ältere Gattin erhielt eine Aufenthaltserlaubnis, die jüngere nur eine Duldung. Dadurch aber ist es ihr kaum möglich, eine Arbeit zu finden. Die Zweitfrau reichte Klage ein – und bekam in zweiter Instanz Recht.

CSU-Generalsekretär Markus Söder ist selbst diese Ausnahme zu viel. Das Urteil sei „ein ungeheuerlicher Skandal“, wettert er.

Marieluise Beck (Grüne) hingegen, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, mahnt zu Besonnenheit: „Es geht bei dem Urteil nicht um eine Aufweichung des Polygamieverbots durch die Hintertür.“

Kein Nachzug der Zweitgattin, das ist bislang die Linie der Justiz. Ein Ägypter etwa musste 1992 die Zweitfrau in der Heimat zurücklassen. Das Niedersächische Oberverwaltungsgericht lehnte seine Klage ab, der Gattin die Einreise zu gestatten.

„Erlaubt man grundsätzlich den Nachzug der Zweitfrau, könnte das missbraucht werden“, meint auch Schewe-Gerigk. Ein Muslim könnte dann mehrere Frauen allein deshalb heiraten, weil er ihnen das Recht auf ein Leben in Europa sichern will.

„Wir kämpfen mit einem Riesendilemma“, sagt Riem Spielhaus, Islamwissenschaftlerin an der Humboldt-Uni in Berlin. „Wir lehnen die Vielehe ab, weil sie Frauen benachteiligt. Wenn wir aber einer Zweitfrau den Schutz der Ehe verweigern, steht sie erst recht schlecht da.“

Grundsätzlich gilt: In Bereichen, die nur die Partner selbst betreffen, werden Zweitehen anerkannt – sofern Ausländer sie in ihrer Heimat nach gültigem Recht geschlossen haben. Daher muss ein Muslim auch einer geschiedenen Zweitgattin Unterhalt bezahlen. Im öffentlichen Recht hingegen, also auch im Ausländerrecht, sind polygame Ehen nicht existent. Als die Vorschriften formuliert wurden, dachte man nicht an eine Multikulti-Gesellschaft, in der „Ehe“ mehr als eine Zweierbeziehung sein kann. Nun scheuen sich die Richter, Familien zu vereinen, weil Zweitfrauen den Sozialkassen zur Last fallen könnten.

„Es ist nicht sinnvoll, mehrere Ehefrauen ins Land zu lassen, die der Staat womöglich finanzieren muss“, sagt auch Ina Lenke, frauenpolitische Sprecherin der FDP. Dies sei eine Frage der Gerechtigkeit: „Wenn wir das für muslimische Zweitfrauen zulassen – dann könnte auch jeder Deutsche für seine Geliebte die Ehefrauen-Rechte verlangen.“

COSIMA SCHMITT