Wachsender Druck auf Condoleezza Rice

Die US-Sicherheitsberaterin muss nächsten Donnerstag vor den Untersuchungsausschuss zum 11. September. Eine frühere FBI-Übersetzerin und ein enthülltes Redemanuskript belasten Rice weiter. Regierung lässt Präsidialanweisung veröffentlichen

WASHINGTON dpa/rtr/afp ■ US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice wird am nächsten Donnerstag öffentlich und unter Eid zu Vorwürfen über schwere Versäumnisse in der Antiterrorpolitik Stellung nehmen. Das teilte die unabhängige Untersuchungskommission der Terroranschläge vom 11. September 2001 am Donnerstag mit. Die Kommission will sie mit Aussagen ihres Exmitarbeiters Richard Clarke konfrontieren. Nach dessen Angaben ignorierte die Bush-Regierung die Bedrohung durch das Terrornetzwerk al-Qaida monatelang. Rice wies die Vorwürfe in zahlreichen Fernsehinterviews zurück. Das Weiße Haus hatte sich erst am Dienstag dem öffentlichen Druck gebeugt, sie vor der Kommission aussagen zu lassen.

Neue Kritik entzündete sich inzwischen daran, dass das Weiße Haus mehr als 8.000 Dokumente aus der Clinton-Zeit zurückhält. Es handele sich um Duplikate oder hoch geheime Unterlagen, sagte Präsidentensprecher Scott McClellan. Nach Angaben von Clinton-Vertrauten zeigen die Unterlagen dagegen Anstrengungen der damaligen Regierung gegen al-Qaida.

Die Bush-Regierung versuchte ihrerseits mit der Veröffentlichung einer präsidialen Anweisung vom 4. September 2001 zu zeigen, dass sie die von al-Qaida und Afghanistan ausgehende Terrorgefahr ernst nahm. In dem Dokument wird Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zur Planung militärischer Optionen gegen „Taliban-Ziele in Afghanistan, darunter Führung, Kommandokontrolle, Luftverteidigung, Bodentruppen und Logistik“ aufgefordert. Auch al-Qaida und die „Einrichtungen verbündeter Terroristen in Afghanistan“ sollten ins Visier genommen werden.

Die Veröffentlichung der Anweisung gilt auch als Gegenbeweis für ein von der Washington Post veröffentlichtes Manuskript einer Rede von Rice, die sie am 11. September 2001 halten wollte. Darin wollte sie hauptsächlich über Raketenabwehr sprechen. Die Bedrohung der USA durch Terrorismus kommt nur am Rande und al-Qaida gar nicht vor.

Rice wird auch von einer ehemaligen FBI-Übersetzerin belastet. Der britischen Zeitung Independent sagte Sibel Edmonds, die Verantwortlichen in Washington seien bereits Monate vor dem 11. September 2001 darüber informiert gewesen, dass al-Qaida mit Flugzeugen Anschläge verüben wollte. Gegenteilige Behauptungen von Rice seien eine „empörende Lüge“. Die 33-jährige Edmonds war nach den Anschlägen vom 11. September als Türkischübersetzerin vom FBI eingestellt worden, um Dokumente, vor allem Aufzeichnungen abgehörter Telefongespräche, zu übersetzen. Anhand der Dokumente sei klar gewesen, dass es im Frühjahr und Sommer 2001 genügend Informationen über einen geplanten Angriff gegeben habe, sagte Edmonds. Es sei „unmöglich“, dass der US-Geheimdienst nicht gewarnt war.

„Es gab allgemeine Informationen über den Zeitrahmen, die Methoden sowie über die bereit stehenden Leute und diejenigen, die diese Art von Terrorangriffen anordnen“, sagte Edmonds. Bereits vergangenes Jahr hatte sie FBI-Beamten vorgeworfen, Übersetzungsarbeiten absichtlich verschleppt zu haben.