Blair-Staatssekretärin stolpert über Rumänen

Weil Großbritannien weniger Asylsuchende wollte, bekamen Rumänen und Bulgaren mehr Einreisevisa – heimlich

DUBLIN taz ■ Nun ist die Einwanderungspolitik der britischen Regierung doch wieder zum Wahlkampfthema geworden. Die für Immigration zuständige Staatssekretärin Beverley Hughes musste am Donnerstag zurücktreten, weil sie in einem Fernsehinterview gelogen hatte. Es ging dabei um Visumanträge aus Bulgarien und Rumänien, die aufgrund gefälschter Papiere vom britischen Konsulat vor Ort ursprünglich abgelehnt worden waren. Das Innenministerium in London genehmigte diese Anträge nachträglich, damit die Abgelehnten nicht stattdessen Asyl beantragen – die Senkung der Zahl der Asylanträge hatte Premierminister Tony Blair letztes Jahr zur Priorität erklärt.

James Cameron, britischer Konsul in Rumänien, hatte den innenpolitischen Sprecher der oppositionellen Konservativen, David Davis, vor kurzem über diese Praxis informiert – und wurde postwendend vom Dienst suspendiert. Staatssekretärin Hughes bestritt am Montagabend in einem Interview viermal, jemals von den zwielichtigen Visabescheinigungen gehört zu haben. Der stellvertretende Labour-Fraktionschef Bob Ainsworth erinnerte sie jedoch am nächsten Tag daran, dass er sie bereits vor mehr als einem Jahr darauf hingewiesen habe. Hughes habe damals auch auf seine E-Mail geantwortet. Damit war ihr Schicksal besiegelt.

Früher musste man zurücktreten, wenn man das Parlament belogen hatte – heutzutage reicht dafür schon ein Fernsehinterview. Premierminister Tony Blair sagte, Hughes habe mit ihrem Rücktritt „großen Mut und Integrität bewiesen“. Aber sie hat ihm auch eine Menge Kopfschmerzen bereitet. Einwanderung ist eines der zentralen Themen im Kampf um die Stimmen bei den Wahlen zum Europaparlament und den Kommunalverwaltungen im Juni. Die Labour-Regierung hatte gehofft, dass sie mit Hilfe günstiger Asylstatistiken bei den Wählern Punkte gutmachen könnte. Nun ist ihre Glaubwürdigkeit bei diesem Thema angeschlagen. Die Konservativen wittern ihre Chance und wollen wissen, was Innenminister David Blunkett über die Visumanträge wusste.

Blunkett verliert mit Hughes seine beste Mitarbeiterin. Sie wurde in Venezuela geboren und feierte am Tag ihres Rücktritts ihren 54. Geburtstag. Sie gehört zu den „Blair Babes“, wie jene Labour-Frauen gönnerhaft genannt wurden, die 1997 nach Labours großem Wahlsieg ins Parlament einzogen. Zuvor hatte Hughes als Bewährungshelferin gearbeitet. Zwei Jahre später war sie bereits Staatssekretärin im Umweltministerium, 2002 wechselte sie ins Innenministerium. Viele rechneten damit, dass sie demnächst ins Kabinett einziehen würde.

Es ist nicht das erste Mal, dass ihr ein Fernsehinterview Schwierigkeiten bereitet hat. Voriges Jahr verurteilte sie die satirische Fernsehshow „Brass Eye“ als „unbeschreiblich krank“, musste aber später vor laufender Kamera zugeben, dass sie die Show nie gesehen hatte. Das war freilich kein Rücktrittsgrund. Nach ihrem Rücktritt sagte Blunkett, das sei der schlimmste Tag seines Lebens. Wenn es nach den Tories geht, stehen ihm noch schlimmere bevor. RALF SOTSCHECK