Ein Palindrom für Doofe

Semlers kleine Wortkunde: Die CSU hat mitten im Kulturkampf den „APO-OPA“ rekrutiert. Sehr witzig

Das Paar APO-OPA gehört wie das allseits bekannte, kolonialistisch eingefärbte „Neger–Regen“ („Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie“) zur Gattung der Palindrome, also zur Gruppe von Worten, die sich nach Belieben von vorne nach hinten und von hinten nach vorne lesen lassen, wobei sich in beiden Fällen ein Sinn ergeben muss. Manche solche Produkte zeugen von Originalität und Sprachwitz, wohingegen APO-OPA ein Palindrom für Doofe darstellt, denn zu seiner Bildung bedarf es nicht der geringsten Gehirntätigkeit. Weshalb es auch nicht überrascht, dass sich der CSU-Generalsekretär Markus Söder in einem Interview dieser Tage eben dieses Palindroms bedient, um den APO-OPAs die Schuld am Zerfall von Werten und Leitbildern in die Schuhe zu schieben

Synonym zu APO-OPA wird von Söder die „Alt-68er“ verwandt, ein Wortbildung von nicht geringem Idiotismus. Der Protestgeneration der 68er, die grob gesagt die Jahrgangskohorte von 1938 bis 1948 umfasst, bleibt im Jahre 2004 schlechterdings nichts anderes übrig, als allmählich alt zu werden. „Neu-68er“, die sich antithetisch von den „Alt-68ern“ absetzen und damit den Sprachgebrauch rechtfertigen würden, sind nicht in Sicht. Auch die Idee, dass das „Alt“ der 68er sich darauf beziehen könnte, dass diese Leute ihren alten Plunder (Kapitalismuskritik, Antiimperialismus, Selbstbestimmung, Emanzipation) weiter mit sich herumschleppen, entbehrt, leider jeder Faktengrundlage.

Söder will mit der „Alt-68er Jammerei“ nichts mehr zu tun haben und ruft zu einer breiten Diskussion unter „jüngeren Leistungsträgern“ auf, um verloren gegangenen Werten wie Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Disziplin, Patriotismus und einem religiös begründeten Weltbild zu neuer Blüte zu verhelfen.

Jeremiaden dieser Art sind uns nicht erst seit Kohls „politisch-moralischer Wende“ von 1982 vertraut. Teils handelt es sich hier um einen Kampf gegen Windmühlen, denn es ist die Entwicklung der kapitalistisch verfassten Gesellschaften selbst, die den Zerfall geschlossener Wertsysteme hervorbringt, eine historische Tendenz, auf die schon zwei „Alt-48er“, nämlich Karl Marx und Friedrich Engels, im Kommunistischen Manifest aufmerksam gemacht haben. Teils handelt es sich um die moralische Verbrämung aktueller demokratie-, partizipations- und frauenfeindlicher Kampfprogramme der reaktionären Rechten, für die das Prädikat „konservativ“ viel zu schade ist.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass der Großteil der APO-Aktivisten in keiner Weise dem Bild des leistungsverweigernden, hedonistischen und egomanischen Tunichtguts entsprach, das die rechte Propaganda von ihnen zeichnet. Sie waren vielmehr fleißig, oft erfinderisch, sie waren rastlos tätig, allerdings häufig in der falschen Richtung. Und sie handelten altruistisch, stets auf das Gemeinwohl und nicht auf ihre eigenen Interessen bezogen. Selbst die Kommunen I und II machten hiervon keine Ausnahme.

Der Generalsekretär Söder hingegen ist ein fauler Tropf, der sich damit begnügt, schon vielfach gescheiterte Konzepte des Kampfs gegen die „Kulturrevolution“ der 68er wiederzukäuen. Daraus wird nichts, nicht in Bayern und auch sonst nirgendwo.

CHRISTIAN SEMLER