John Dimitri Negroponte, Sheriff von Bagdad

Der designierte US-Botschafter im Irak wird schon lange von Menschenrechtsgruppen als untragbar bezeichnet

Wer Botschafter einer Weltmacht bei den Vereinten Nationen war, hat beste Karriereaussichten: Er wird danach entweder Außenminister – wie der russische Diplomat Sergei Lawrow – oder ihm wird die größte und derzeit wichtigste diplomatische Vertretung seines Landes angetragen. Dies ist jetzt John Negroponte widerfahren, der seit September 2001 Botschafter der USA bei der UNO war und es, wenn die Auguren Recht behalten, demnächst in Bagdad sein wird. Seit den 60er-Jahren ist Negroponte im diplomatischen Dienst der USA, er genießt hohes Ansehen in Colin Powells State Department.

Dreitausend Mitarbeiter werden nach der Übergabe der Souveränität an eine neue irakische Regierung für die US-Botschaft in Bagdad tätig sein, darunter knapp 1.000 US-Bürger. Die Botschaft wird viele der Funktionen übernehmen, die jetzt der US-Zivilverwaltung unter Paul Bremer obliegen.

Der Irak und seine Probleme sind Negroponte vertraut; schließlich war er Anfang 2003 als US-Vertreter im UN-Sicherheitsrat Wortführer für eine Militärintervention in dem Land und für den gewaltsamen Sturz von Saddam Hussein. Unerschütterlich vertrat er dort die Haltung seiner Regierung, dass das irakische Regime von der Macht vertrieben werden müsse. Auch bei provokanten Fragen von Journalisten nach der zweifelhaften Rechtfertigung der Intervention verlor er nie die Fassung. Er wurde als „Mann, der fünf Sprachen spricht, aber auch weiß, wann er den Mund halten soll“, bezeichnet.

Schließlich hatte er vor seiner Nominierung zum UN-Botschafter schon die Anhörung im US-Senat überstanden, bei der es um seine Zeit als US-Botschafter in Honduras ging. Von 1981 bis 1985 überwachte er dort die Aufrüstung der honduranischen Streitkräfte. In jenen Jahren entstand auch die von den USA bezahlte Contra-Armee, die von Honduras aus die nicaraguanische Bevölkerung terrorisierte und die sandinistische Regierung destabilisierte. Menschenrechtsorganisationen legten damals Dokumente vor, die zeigten, dass Negroponte Berichte über Menschenrechtsverletzungen der honduranischen Streitkräfte unterschlug. Deren Bataillon 3-16 war von der CIA ausgerüstet und trainiert und an Mord, Entführung und Folter honduranischer Zivilisten beteiligt. Negroponte war auch in die illegale Finanzierung der Contras durch geheime Waffenverkäufe an den Iran verwickelt – jene desaströse Iran-Contra-Affäre, die die letzten beiden Jahre der Reagan-Administration überschattete.

Trotz dieser Kritik wurde er dann im US-Senat wenige Tage nach dem 11. September 2001 mit einer großen Mehrheit bestätigt. Wenige Wochen später verlas er vor dem Sicherheitsrat einen Brief von Präsident Bush, in dem es hieß, dass die USA sich das Recht vorbehalten, gegen Staaten, die den Terrorismus unterstützen, militärisch vorzugehen. Er tat dies so überzeugend, dass es praktisch keinen Einwand des Gremiums gegen diese Absicht gab. SF