„Eine Währung ohne den Ballast der Zinsen“

Eine lokale Währung bietet Chancen für Projekte, die vom Euro schlecht bedient werden, erklärt Margrit Kennedy, ehemalige Professorin für Ökologisches Bauen in Hannover und Koautorin eines Buches über Regionalwährungen

taz: Frau Kennedy, was würden Sie der Berliner Initiative zur Einführung einer Regionalwährung raten?

Margrit Kennedy: Nicht zu große Versprechungen zu machen – Vorteile und Nachteile klar erläutern! Es empfiehlt sich, das ganze Experiment von einer wissenschaftlichen Einrichtung validieren zu lassen. Die Regionalwährungen sind ja ein völlig neuer Ansatz, bei dem noch einige Barrieren in den Köpfen überwunden werden müssen, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen.

Welche Nachteile hat eine Regionalwährung?

Es gibt Millionen Arbeitslose und gleichzeitig Millionen Jobs, die gemacht werden müssen. Aber es gibt kein Geld, um die beiden zu verbinden. Das hoffen wir, mit den Regionalwährungen zu schaffen. Ich sehe im Moment keine großen Nachteile. Es sei denn, dass bestimmte Vorsichtsmaßnahmen nicht getroffen werden und es zu Fälschungen kommt wie in Argentinien.

Der „Roland“ in Bremen kommt nicht so richtig ins Rollen, der „Chiemgauer“ ist dagegen ein Erfolg.

Das hängt auch davon ab, wie viel Öffentlichkeitsarbeit Sie machen und über welche Ressourcen Sie verfügen. Der „Roland“ war die erste Regionalwährung, der „Chiemgauer“ konnte aus den gemachten Fehlern lernen. Wir sind ganz am Anfang. Das ist ähnlich wie das Fliegen zu Zeiten der Gebrüder Wright. Da sahen die Flugzeuge auch noch nicht so aus wie die heutigen Jumbojets.

Erfüllt Berlin die Voraussetzungen für eine Regionalwährung?

Die Probleme sind überall dieselben. Die Zinsen sind ja eine Art Stolperstein für alle sozialen und ökologischen Projekte. Es werden keine Investitionen getätigt, wenn nicht zumindest die Zinsen wieder eingebracht werden. Da die Regionalwährungen ohne diesen Ballast der Zinsen auskommen, haben sie die Chance, in diesen Bereich hineinzuwirken, der vom heutigen Geld sehr schlecht bedient wird.

Woher kommt eigentlich die Idee?

Die Idee ist an vielen Stellen gleichzeitig entstanden. Die üblichen Tauschringe können nur etwa 1 Prozent dessen, was man zum Leben braucht, abdecken. Und die großen Währungen wie Euro und Dollar wird man so schnell nicht ändern können. Was bleibt, ist eine Zwischenebene: die Region.

Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Auf der Internationalen Bauausstellung ab 1987 in Berlin habe ich die Forschungsabteilung Ökologie und Energie geleitet. Überall wo ich hinkam und unsere Projekte vorstellte, sagten die Leute, schön und gut, aber das rechnet sich nicht. Damit sich etwas rechnet, muss man mindestens die Zinsen bezahlen können. Das Zinssystem, mit Zins und Zinseszins, fordert immer ein exponentiales Wachstum. Daher kann die Ökologie mit der Ökonomie in diesem Geldsystem nie zusammenkommen.

Soll der „Berliner“ den Euro in der Region ganz ablösen?

Nein „Berliner statt Euro“ ist totaler Blödsinn. Wir können den Euro nicht ablösen. Aber wir können ihn in den Bereichen ergänzen, in denen er nicht besonders gut funktioniert. Erst mal sind die Regionalwährungen auch an den Euro gekoppelt. Vielleicht wird man schon bald eine Tauschstelle einrichten, wo man zwischen zwei Regionen das Geld direkt und damit billiger tauschen kann als über den Euro. INTERVIEW: WIBKE BERGEMANN