Abrücken vom Architekten

Die Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ in Berlin ist eine ewige Baustelle. Nun wächst der Druck auf die Bauverwaltung

Nun ist auch der Kulturstaatsministerin der Kragen geplatzt. „Es ist ein Punkt erreicht, bei dem man jetzt entscheiden muss“, drohte Christina Weiss in Richtung des Berliner Senats: „Entweder Berlin beginnt zu bauen, oder man kommt zu der Überzeugung, alles noch mal von vorne zu beginnen.“

Was die Kulturministerin so auf die Palme brachte, ist die Never-Ending-Story der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ auf dem ehemaligen Gelände der Gestapo, der SS und des Reichssicherheitshauptamts. Seit vier Jahren herrscht auf den Ruinen der nationalsozialistischen Terrorzentralen Baustopp. Der ambitionierte Bau einer Gedenkstätte am Ort der Täter nach den Plänen des Schweizer Architekten Peter Zumthor war 1999 praktisch eingestellt worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Kosten von ursprünglich 18 Millionen Euro explodiert waren. Seitdem der Bund und das Land die Kosten auf 38,5 Millionen Euro begrenzt haben, wird nun geprüft, ob Zumthors Entwurf für dieses Geld überhaupt machbar ist.

Nicht nur Christina Weiss fühlt sich aufgrund der Verzögerungen inzwischen verschaukelt. Auch eine Gruppe von Historikern hat sich zu Wort gemeldet. Es sei ein „politischer Skandal“, dass die Fertigstellung fast zehn Jahre nach der Grundsteinlegung immer noch nicht absehbar sei, heißt es in einer Erklärung des in Gründung befindlichen „Zeithistorischen Forschungs- und Gedenkstättenverbundes Berlin-Brandenburg“. Mit dabei ist auch der Historiker Reinhard Rürup, der aus Protest gegen die Verzögerungen Ende März als wissenschaftlicher Direktor der geplanten Gedenkstätte das Handtuch geworfen hatte. „Die Fertigstellung des Bauwerks hat sich auf eine für mich nicht mehr akzeptable Weise verzögert“, schrieb Rürup dem Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS).

Dass der Druck auf die federführende Berliner Bauverwaltung wächst, hat auch mit dem Rücktritt von Bausenator Peter Strieder (SPD) zu tun. Trotz zahlreicher Auseinandersetzungen hatte Strieder immer an Zumthors Entwurf festgehalten. Dass neben Weiss und Rürup nun auch der SPD-Fraktionsvorsitzende und neue Landeschef Michael Müller eine schnelle Entscheidung fordert, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass man in Berlin von Zumthor abrückt. „Es kann nicht sein, dass hier weiter Stillstand herrscht“, hatte Müller am Montag gesagt. Zwar brauche die Stiftung Topographie des Terrors dringend ein Gebäude. Das müsse aber nicht zwingend der Entwurf von Zumthor sein.

In zwei Wochen will die Bauverwaltung nun ihr mit Interesse erwartetes Gutachten vorlegen, in dem geprüft wird, ob Zumthor mit 38,5 Millionen Euro zu bauen ist. Bei einem Nein könnte Berlin den Vertrag mit dem Schweizer Architekten auflösen. Das würde zwar zu einer weiteren Verzögerung der ursprünglich für 1995 geplanten Eröffnung führen. Es wäre aber auch eine klare Absage an ein zur peinlichen Posse geratenes Projekt der Berliner Erinnerungskultur. Die Nach-Zumthor-Zeit, darf man vermuten, hat begonnen. UWE RADA