Demo, bitte draußen bleiben

Bezirksamt feiert 1. Mai in Kreuzberg mit Konzerten, T-Shirts und Gebeten auf insgesamt 14 Bühnen. Da ist für linksradikale Demonstranten kein Platz mehr. Polizei will sie nur bis zum Moritzplatz lassen

VON FELIX LEE
UND PLUTONIA PLARRE

Es sollte eine professionelle Pressekonferenz über die geplanten 1.-Mai-Straßen-Festivitäten in Kreuzberg werden und wurde ein Schlagabtausch über die Demoroute der Linken. Dabei hatte alles so harmonisch begonnen. Die Chef-Organisatorin des Kulturprogramms, Silke Fischer, erzählte, dass über 35 Gruppen auf 14 Bühnen in dem Bereich zwischen Oranien-, Mariannen- und Heinrichplatz bis in die Nacht hinein ihre Künste zum Besten geben werden. Die Türkische Gemeinde hat Plakate gedruckt, auf denen Berliner Promis mit Migrationshintergrund auf Türkisch zu einem friedlichen Miteinander aufrufen. Pastoren wollen mittags auf dem Oranienplatz mit über 1.000 Gläubigen für Versöhnung der Kulturen und Subkulturen beten. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bietet rote T-Shirts zum Preis von 7 Euro feil. Wer es am 1. Mai trägt, symbolisiert damit Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) zufolge: „Wir mischen uns ein, wenn Jugendliche zum Stein greifen.“

Als jedoch Michael Kronewetter, Teil des linksradikalen Bündnisses ACT, das für 16 Uhr zur traditionellen revolutionären 1.-Mai-Demonstration aufruft, ungebeten das Wort ergriff und Begriffe wie „Kriegserklärung“, „Kampfansage“ und „Sperrgebiet SO 36“ in Richtung Podium schleuerte, war es mit der Harmonie vorbei. Was Kronewetter so in Rage bringt ist, dass die Polizei die gewünschte Route für die 16-Uhr-Demo nicht genehmigt hat. Ursprünglich wollten die Linken vom Potsdamer Platz am Auswärtigen Amt vorbei Richtung Oranienstraße ziehen und am Görlitzer Bahnhof enden. Die Polizei will sie aber nicht in den Kreuzberger Kiez lassen. Begründung: Sicherheitsbedenken wegen des Myfestes.

Als Alternative wurde ACT eine Route angeboten, die vom Anhalter Bahnhof über Kochstraße, Lindenstraße und über Prinzenstraße führt. Am Moritzplatz wäre dann Schluss. „Der Bezirk will uns ausschließen“, ereiferte sich Kronewetter. Die Alternativroute habe nichts mit der symbolischen traditionellen 1.-Mai-Strecke – gemeint ist das Herzstück Oranienstraße – zu tun.

Die Kritik ging vor allem in Richtung von Bürgermeisterin Reinauer, die in ihrem gestrigen Eingangsstatement zum wiederholten Mal beteuerte hatte, sie habe ein großes Interesse, dass in Kreuzberg wie in den Vorjahren demonstriert werden könne. Niemand solle politisch ausgegrenzt werden. Sie verstehe nicht, warum Kronewetter so eine Schärfe in die Sache bringe, bemühte sich Reinauer um Schadensbegrenzung. „Ich gehe davon aus, dass wir mit der Polizei einen Ort für die Abschlusskungebung finden werden, mit dem alle Beteiligten leben können.“

Unverhohlen verärgert auf Kronewetters Vorwurf reagierte Silke Fischer. Sie habe den Eindruck, dass das Bündnis ACT nur auf der Demoroute bestehe, um elf Bühnen zu tangieren. „Wenn ihr das Myfest verhindern wollt“, so Fischer, „dann sagt es auch so.“