AutoknackerInnen in Uniform

Großeinsatz am Samstag Vormittag: Polizei räumt Hafenstraße von protestierenden BauwagenbewohnerInnen und demoliert dabei gut 100 rollende Wohnunterkünfte. Bambule-Anwälte erwägen Strafanzeige gegen die rabiaten BeamtInnen

von Kai von Appen

Die Pressemeldung der Polizei könnte vielleicht so lauten: „In der St. Pauli-Hafenstraße ist es am Samstagvormittag zu einer Serie von Autoaufbrüchen gekommen. Eine offenbar gut organisierte Vereinigung brach am Samstag gewaltsam 100 Wohnmobile auf, schlossen Autos kurz und klauten sie ihren anwesenden Besitzern.“ Die Autoknacker waren allerdings Hamburger PolizistInnen: Rund 600 Beamte haben am Samstag eine friedliche Versammlung von BauwagenbewohnerInnen am Hafenrand gewaltsam aufgemischt und sind dabei äußerst rabiat zu Werke gegangen – Einschlagen von Autoscheiben inclusive.

Dabei hatte die bundesweite Bauwagenszene mit ihrer überraschenden Aktion gezeigt, dass auch Solidarität und Disziplin zu ihren Tugenden gehören. „Einmal im Leben pünktlich sein“, lautete das Motto, und so stellten sich um Punkt sieben Uhr morgens 100 Wohnmobile aus ganz Deutschland – von Lörrach bis Lübeck, von Leipzig bis Köln – auf der Hafenstraße quer. „Ich bin eine unrechtmäßige Baumaßnahme“, prangte es von den Gefährten oder „Bauwagenplätze her – basta.“

Obwohl sich die Polizei über den Einsatzleiter vor Ort, Thorsten Mülder, anfangs auf Verhandlungen mit dem Versammlungsleiter, dem ehemaligen Regenbogen-Abgeordneten Norbert Hackbusch, einlässt, ist sehr schnell klar, dass der polizeiliche Gesamteinsatzführer Kuno Lehmann die harte Tour bevorzugt. Schon gegen neun Uhr – nach dem die grünen Kohorten zusammengeholt werden konnten – lässt er die Versammlung wegen der „Gefährdung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ für aufgelöst erklären. Mehr als 600 PolizistInnen sind aufmarschiert.

Die Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange versucht zwar noch, beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Auflösung zu beantragen. Doch das Verwaltungsgericht kann laut Anwaltsaussagen zu so früher Stunde keine Kammer zusammentrommeln. Indes versuchen die Bambule-Anwälte Manfred Getzmann und Andreas Beuth vor Ort einen Kompromiss auszuhandeln: Die Demo, so schlagen sie vor, soll sich nach einiger Zeit geordnet auflösen. Doch Lehmann, so gibt Polizeisprecher Ralf Kunz Auskunft, besteht auf Personalienfeststellungen und Kfz-Überprüfungen und ordnet die „Sicherstellung“ der Fahrzeuge an.

Und so nimmt das Szenario seinen Lauf, das BeobachterInnen als „schockierend“ bezeichnet haben. Polizeieinheiten mit Wasserwerfern rücken vor, nehmen Abschnitt für Abschnitt ein. Vermummte Einheiten schlagen die Seitenfester der Wohnmobilen ein, brechen Türen mit Kuhfüßen auf, versuchen mit brachialer Gewalt Wegfahrsperren zu knacken, um dann die Wagen wegfahren zu können.

Derweil erklärt der neue Polizeispressesprecher Ralf Meyer, zuvor Leiter des Mobilen Einsatzkommandos der Hamburger Polizei, der Tagesschau, dass diese Maßnahmen alle notwendig gewesen seien, weil die Polizei keinen Ansprechpartner in der Versammlung gehabt habe. Als er von Beuth daraufhin zurecht gewiesen wird, sagt Meyer lapidar: „Das hat mir der Einsatzführer so gesagt.“

Bei der Räumungsaktion, die bis zum Nachmittag dauert, werden insgesamt 112 Personen festgenommen. Viele Fahrzeugen haben massive Schäden aufzuweisen. Getzmann kündigte gestern Nachmittag gegenüber der taz juristische Konsequenzen für die Polizei an.

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