ANTISEMITISMUS VON MUSLIMEN: ARABER UNTER GENERALVERDACHT
: Verdächtiges Interesse an einem Thema

Seit Monaten wird rund um die Uhr zum Antisemitismus getagt, verlautbart und kommentiert. Einen zusätzlichen Kick bekam die Debatte, als die Europäische Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Xenophobie (EUMC) kürzlich eine Studie unterdrücken wollte, die unter anderem eine neue Qualität des Antisemitismus islamistischer Kreise nahe legt. Seitdem steht auch die Judenfeindschaft unter Muslimen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das ist zu begrüßen. Schließlich wurde allzu lange ignoriert, dass die Verantwortlichen für körperliche Attacken auf Juden seit Jahren überwiegend aus dem arabischen beziehungsweise islamistischen Milieu stammen.

Inzwischen widmet sich die Öffentlichkeit diesem Thema allerdings mit einer Hingabe, dass es angebracht scheint, an ein paar Fakten zu erinnern: Nach wie vor werden weit über neunzig Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft verübt. Wissenschaftliche Studien über das Ausmaß antisemitischer Einstellungen innerhalb der muslimischen Minderheit in Deutschland gibt es nicht. Ebenso wenig existieren Erkenntnisse, welche Satellitenprogramme aus dem arabischen Raum welche Wirkung haben könnten.

Etwas verstörend ist es schon, dass diese dünne Faktenlage kaum jemand zu stören scheint. So glauben die einen, die Muslime endlich am Nasenring durch die Arena führen zu dürfen, und fordern von ihnen pauschal Distanzierung von Terrorismus und Antisemitismus. Den anderen bietet dies die willkommene Gelegenheit, ein brisantes Thema als einen von Israel, Islamfeinden und den üblichen Verdächtigen inszenierten Hype zu entsorgen. Und nicht wenige sind froh, als Deutsche endlich nicht mehr allein die Last des Antisemitismus tragen zu müssen. Doch auch beim islamisierten Antisemitismus braucht es keine Befindlichkeitsdiskurse, sondern solide Erkenntnisse als Grundlage für wirksame Gegenstrategien. Dafür müssten allerdings die Sozial- und Jugendforschung wie auch die Islamwissenschaften aus ihrem Winterschlaf erwachen. EBERHARD SEIDEL