Irak: Foltervorwürfe gegen US-Soldaten

Die US-Armee hat in einer internen Untersuchung eine sadistische Misshandlung von gefangenen Irakern durch ihre Soldaten festgestellt. Suspendierte Leiterin des Gefängnisses, Generalin Janis Karpinski, erhebt Vorwürfe gegen US-Militärgeheimdienst

WASHINGTON taz/rtr ■ US-Soldaten haben einem Bericht der Armee zufolge irakische Gefangene im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib sadistisch misshandelt und entwürdigenden Prozeduren unterzogen. Zu den Misshandlungen zählten sexuelle Drohungen und Übergriffe, veröffentlichte das Magazin The New Yorker auf seiner Webseite (www.newyorker.com) und berief sich dabei auf den ihm vorliegenden 53-seitigen Bericht. Der US-Fernsehsender CBS hatte vergangene Woche Bilder veröffentlicht, die Demütigungen und Misshandlungen von irakischen Gefangenen zeigen.

Die Fotos lösten weltweit Empörung aus. Generalin Janis Karpinski, die mittlerweile vom Dienst suspendierte Leiterin des Gefängnisses Abu Ghraib, äußerte in der New York Times die Vermutung, der amerikanische Militärgeheimdienst sei in die Vorfälle verstrickt. Der Zellenblock, in dem die fotografierten Misshandlungen stattfanden, habe unter der strengen Kontrolle des Militärgeheimdienstes gestanden, sagte Karpinski.

Zuvor hatte The New Yorker berichtet, der US-Militärgeheimdienst habe offenbar den Besatzungssoldaten die Misshandlungen befohlen, um die Gefangenen zu Aussagen zu zwingen. Das Pentagon will daher die Ermittlungen neben der Vernehmung von Gefangenen auch „auf andere Bereiche“ ausdehnen, kündigte ein Militärsprecher an. Details wurden jedoch nicht genannt.

Auch in Großbritannien ermittelt die Armee, nachdem die Zeitung Daily Mirror Fotos von Misshandlungen durch britische Soldaten veröffentlicht hatte. An der Echtheit der Bilder wurden jedoch Zweifel geäußert. Der Lastwagen, der auf dem Bild zu sehen sei, werde in Irak gar nicht verwendet. Auch die Waffe und die Kopfbedeckung des Soldaten seien vom falschen Typ. Die britische Regierung leitete eine Untersuchung der Vorwürfe ein. Premierminister Tony Blair erklärte, sollten die Anschuldigungen zutreffen, wäre dies „völlig inakzeptabel“.

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) berichtete, ihr lägen schon länger Hinweise auf weit verbreitete Folterungen irakischer Gefangener durch Koalitionssoldaten vor. Die ai-Sprecherin Nicole Choueiry sagte: „Wir dokumentieren Foltervorwürfe seit einem Jahr.“ Amnesty verwies auch darauf, dass das Gefangenenlager Abu Ghraib, das bei den US-Truppen Schauplatz der Folterungen gewesen sein soll, schon unter Saddam Hussein ein berüchtigter Ort gewesen sei. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sich dies wiederhole.

In einer ersten Stellungnahme aus der arabischen Welt verurteilte der Golfkooperationsrat die Misshandlungen, die gegen „Religionen und internationales Recht wie die Genfer Konventionen“ verstießen. Sicherheitsexperten befürchten nunmehr, dass sich militante Iraker für die Demütigungen an ihren Landsleuten mit tödlichen Anschlägen an der Besatzungsmacht rächen werden. M.S.

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