Nebel nützt nichts

Greenpeace-Gutachten: Atomkraftwerke sind durch Nebelwände nicht vor Flugzeug-Attentaten zu schützen

Im Gegensatz zu Schiffen kann sich ein AKW nicht im Schutz des Nebels zurückziehen

HANNOVER taz ■ Künstlicher Nebel kann die deutschen Atomkraftwerke (AKWs) nicht vor Terrorangriffen mit Passagierflugzeugen schützen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gutachten für Greenpeace Deutschland, in dem die AKW-Experten Helmut Hirsch, Oda Becker und Wolfgang Neumann die Vernebelungstechnik einer kritischen Bewertung unterziehen.

Bei dem „Schutzkonzept“, das die AKW-Betreiber favorisieren, das vom Bundesumweltministerium jedoch für völlig unzulänglich gehalten wird, sollen ihre Atomkraftwerke binnen 40 Sekunden in einer Nebelwand verschwinden, sobald sich ein nicht identifiziertes Flugzeug bis auf 20 Kilometer annähert. Nach Angaben der drei Wissenschaftler soll dabei militärische Vernebelungstechnik zum Einsatz kommen, die allerdings zum Schutz beweglicher Ziele entwickelt wurden.

„Eine Tarnung eines festen Objektes war nie primäre Aufgabe der Vernebelungssysteme“, heißt es in dem 27-seitigen Gutachten für Greenpeace. Anders als ein Schiff oder ein Panzerfahrzeug könne sich ein ortsfestes AKW nicht „unter der Deckung des Nebels zurückziehen“. Der Expertise zufolge ist auch fraglich, ob das Nebelsystem beim Anflug einer gekaperten Passagiermaschine rechtzeitig ausgelöst werden kann.

Beim Militär wird der Nebel automatisch ausgestoßen, wenn das Schiff oder Panzerfahrzeug von Zielsuchsystemen ins Visier genommen wird. Beim Kraftwerk jedoch müssen die Vernebelungsmaschinen manuell und damit langsamer aktiviert werden. Die meisten deutschen Atomkraftwerke liegen zudem an viel beflogenen Luftstraßen, auf denen auch ein entführtes Flugzeug unterwegs sein könnte, ohne dass ein sofortiger Alarm die Folge wäre.

Auch eine erfolgreiche Vernebelung würde nach Auffassung der drei Wissenschaftler einen Angriff von Terrorpiloten nicht verhindern. Angreifer könnten sich dann an markanten Punkten der Umgebung orientieren, an Flüssen, Straßen oder auch den AKW-Kühltürmen, deren Vernebelung nicht vorgesehen sei. Außerdem sei es auch möglich, so lange über dem Atomkraftwerk zu kreisen, bis sich der Nebel wieder verzogen habe.

Das Gutachten für Greenpeace geht davon aus, dass Terrorangriffe nicht spontan oder ungeplant erfolgen, sondern sorgfältig vorbereitet werden. Ein Anflug auf ein AKW könne man an einem Flugsimulator so lange trainieren, „bis das Reaktorgebäude praktisch im Blindflug getroffen werden kann“.

Bei einem Angriff kann die Vernebelung darüber hinaus unbeabsichtigte Nebenfolgen haben. Sie behindert das Wachpersonal am Boden, erschwert das Erkennen von Schäden und die Anfahrt von Rettungsfahrzeugen. Die Autoren der Studie halten auch von einem Schutz der AKWs durch ringsum platzierte Türme nichts. Dabei seien bis zu 50 massive Stahlbetontürme mit einer Höhe „von 200 Metern und mehr“ notwendig, die selbst wieder zu neuen Sicherheitsproblemen führten.

Das Bundesumweltministerium hat von den AKW-Betreibern zwar bereits ein neues verbessertes Schutzkonzept verlangt, Gleichwohl ist aus dem Hause Trittin gegenwärtig kein Druck auf die Stromkonzerne zu erwarten. Die Vernebelungsanlagen würden zwar nicht helfen. „Sie schaden aber auch nicht“, sagte gestern Ministeriums-Sprecher Michael Schroeren. Man habe den Atomaufsichtsbehörden der Bundesländer dargelegt, dass man das Schutzkonzept der Betreiber nicht für ausreichend halte. Jetzt seien die Länder am Zug. JÜRGEN VOGES