AUCH PRIVATVERSICHERTE MÜSSEN PFLEGEBEDÜRFTIGE MITFINANZIEREN
: Mackergeste rächt sich

Nun rächt sich, dass im Januar die ganze Reform der Pflegeversicherung ins Altpapier gewandert ist. Eine Rentnerin, die fünf Kinder aufgezogen hat, dürfe nicht wie jeder dahergelaufene Single 2,50 Euro Kinderlosen-Zuschlag zur Pflegeversicherung zahlen, fand der Kanzler damals.

Wie blöd von ihm. Die Anerkennung für seine Mackergeste hat sich Schröder, der bekennenderweise von der Pflegeversicherung nichts versteht, teuer erkauft. Um das Urteil das Bundesverfassungsgerichts, dass Kindererziehende zu entlasten sind, kommt er sowieso nicht herum. Seine Sozial-Staatssekretärin wird ihm nun einen Gesetzentwurf präsentieren, der entweder das Problem vom Januar wiederholt: Dann werden Leute, deren Kinder aus dem Haus sind, wie Kinderlose behandelt. Oder es gibt ein verschachteltes System aus verschiedenen Pflegebeiträgen, dessen Bürokratiekosten an die Summen zur Familienbeglückung heranreichen dürften.

Dafür hat der Kanzler darauf verzichtet, die schwierige Umsetzung des Karlsruher Urteils in eine strukturelle Reform der Pflegeversicherung einzubetten. Dann hätte Rot-Grün Antworten auf die Frage anbieten können, wie vielen Menschen die Pflegeversicherung welche Art der Pflege bezahlen soll. Wie die Gesellschaft ihre alten, hilflosen Menschen unterbringen und versorgen will. Entsetzliche Missstände prangern Pflegekritiker regelmäßig an: dass alten Menschen in Heimen nicht nur Zähne, sondern die ganzen Kiefer verfaulen. Dass das Pflegepersonal gewalttätig wird, weil es überfordert ist. Dass Magensonden gelegt werden, weil keine Zeit zum Füttern ist.

Die Gesundheitspolitik dreht sich seit Jahren darum, ob für gute Leistung gutes Geld oder für schlechte Leistung zu viel Geld bezahlt wird. In der Pflege wird diese Debatte nicht geführt. In der Gesundheit wird das Privilegiensystem für Gutverdiener und Beamte mittlerweile arg bezweifelt. In der Pflege fragt bislang kein Politiker, warum eigentlich die Mittel der Privatversicherten nicht auch den gesetzlich Versicherten zugute kommen sollen. Zeit dafür wär’s. ULRIKE WINKELMANN