Die Welt steckt in der Rohstoffklemme

Der Anstieg der Preise für Öl, Kupfer und andere Rohstoffe hat reale Gründe und dürfte so schnell nicht vorbei sein

Beim Öl ist es ganz offensichtlich: Die immer noch steigenden Benzinpreise lassen auch die Verbraucherinnen spüren, dass der Rohstoff derzeit rarer ist als gewohnt. Das Barrel Rohöl ist in den letzten zwei Jahren um 70 Prozent teurer geworden. Öffentlich weniger auffällig, kletterten im gleichen Zeitraum auch die Preise für andere Rohstoffe: Kupfer etwa kostet heute doppelt so viel wie Anfang 2002, Nickel sogar eineinviertelmal so viel. Die Konjunkturforscher haben das selbstverständlich bemerkt und konstant hohe Rohstoffpreise zu einer – bremsenden – Grundannahme ihrer Prognosen gemacht. Und erst gestern verkündete die Vereinigung Europäischer Wirtschaftsforschungsinstitute, AIECE, dass auch in den nächsten Monaten nicht mit einer Wende zu rechnen sei.

Was bedeutet das nun? Ist die in vielen Wirtschaftszweigen aufkommende – und laut geäußerte Panik – vor steigenden Produktionskosten übertrieben? Oder haben die Unkenrufer Recht, die schon von einer erst noch in den Anfängen steckenden Rohstoffhausse sprechen?

Einiges spricht für die pessimistischere Annahme. So könnte bereits ein Blick auf die langfristige Entwicklung stutzig machen: 21 Jahre, von 1980 bis 2001, hat die letzte Rohstoffbaisse gedauert, die dem jetzigen Anstieg vorausging. Dieser Preisverfall dürfte kaum in zweieinhalb Jahren aufgeholt worden sein.

Aber auch die konkreten Verhältnisse weisen in eine ähnliche Richtung. Am einfachsten ist auch das wieder anhand des Erdöls zu zeigen: Während die Weltwirtschaft zu ihrem langsam wieder angesprungenen Wachstum ständig mehr Energie braucht, hat der Krieg gegen den Irak bislang nicht dazu geführt, dessen Ölreserven zugänglicher zu machen. Auch die Lage in Venezuela hat sich nicht so entspannt wie vor einem Jahr gehofft. Hinzu kommt die erst kürzlich aufgeflammte Diskussion über die Bewertung der weltweiten Ölreserven, die offenbar nach unten revidiert werden müssen. All diese Faktoren bilden nicht gerade ein Umfeld, das für die Zukunft niedrigere Preise erwarten lässt.

Etwas besser, wenn auch nicht grundsätzlich anders, verhält es sich mit anderen Rohstoffen. In der Boom-Zeit der New Economy wurde kaum noch in den Ausbau von Minen investiert, ganze Abbaugebiete wurden geschlossen, weil sie unrentabel waren und nicht absehbar war, dass die Nachfrage – etwa aufgrund des rasanten Wachstums in China – so schnell wieder steigen würde. Einen schnellen Neu- und Wiederaufbau der Kapazitäten verhindert zum Teil der schwache Dollar: Rohstoffe werden auf dem Weltmarkt in der US-Währung gehandelt, die meisten Rohstoffproduzenten kommen jedoch aus Ländern, deren Währungen derzeit relativ stark gegenüber dem Dollar sind. Von den hohen Preisen bleibt so real wenig hängen.

Politik und Wirtschaft in den Industrieländern müssen sich also darauf einstellen, dass das Angebotsdefizit und damit hohe Preise vorerst bestehen bleiben. Sie können nun die Trendwende abwarten. Oder sie trauen sich endlich, in eine Richtung weiterzudenken, wie sie Alan Greenspan – eher drohend – zuletzt im Zusammenhang mit dem Ölpreis andeutete: Die US-Wirtschaft, so der US-Notenbankchef, werde sich eben anpassen, sprich: endlich auf weniger energieintensive Produktion umsteigen. BEATE WILLMS